■ Bonn erkennt die Bundesrepublik Jugoslawien an
: Signal zur falschen Zeit

Die Normalisierung von Beziehungen zwischen Ländern und Völkern verheißt stets eine Wende zum Besseren. Mißliche Verstimmungen, harte Interessenskonflikte, ja sogar innige Feindschaften werden der Vergangenheit überantwortet. Aus Gegnern werden vernünftige und gesprächsbereite Partner. Und so soll es auch sein. Die Anerkennung der Bundesrepublik Jugoslawien, die jetzt auch das Kabinett in Bonn beschlossen hat, klingt denn auch beruhigend. Alles normal, alles in Butter. Zumal Jugoslawien die frühere jugoslawische Teilrepublik Makedonien anerkannt und damit, so Außenminister Kinkel, alle Voraussetzungen der Europäischen Union für die Anerkennung erfüllt habe.

Vor vier Jahren waren die Beziehungen abgebrochen worden, weil Belgrad den Krieg der bosnischen Serben und die Politik der „ethnischen Säuberung“ aktiv unterstützte. Heute gilt derselbe Milošević, der international als Drahtzieher und Urheber des serbischen Expansionismus auf dem Balkan angeprangert wurde, als Garant des Friedensabkommens von Dayton. Das verpflichtet. Und da kann man schon mal beide Augen zudrücken. Das hat Bonn bei dieser eilfertigen Anerkennung auch getan.

Weder hat Milošević bislang die staatliche Existenz Kroatiens oder gar Bosniens offiziell anerkannt. Noch hat er eine Zusicherung gegeben, die 120.000 geflohenen Kosovo-Albaner wieder ins Land zu lassen. Immer noch werden bosnische Kriegsgefangene in Belgrad festgehalten. Auch die Zusammenarbeit mit dem Kriegsverbrechertribunal kann man nicht gerade als gedeihlich bezeichnen. Das Tribunal geißelte Serbien demonstrativ als „Verbrecherstaat“, weil es Kriegsverbrechern Unterschlupf gewähre.

Die EU hätte die Anerkennung Belgrads davon abhängig machen müssen, daß Belgrad die Minderheitenrechte achtet, dem Kosovo seine Autonomie zurückgibt, endlich Pressefreiheit gewährt und auch die Oppositionsparteien im Fernsehen zu Wort kommen läßt. Die voreilige Anerkennung zerstört einmal mehr die Hoffnungen der demokratischen serbischen Opposition, das stalinistische Regime zu beseitigen. Und solange die als Kriegsverbrecher gesuchten Karadžić und Mladić in Belgrad ein- und ausgehen, hätte der Westen den Druck auf Milošević nicht aufheben sollen. Belgrad will gute Beziehungen zu Bonn und zur EU. Es soll sie haben. Aber nicht zum Nulltarif. Georg Baltissen