Wir schaffen Verbindungen Von Klaudia Brunst

Eigentlich hatten wir uns das mit dem Schlafwagen ganz schön und vor allem ganz schön einfach vorgestellt. Abends steigt man in den Zug und wacht morgens ausgeschlafen in Wien wieder auf. Die Bundesbahn macht's möglich. Für 461 Mark, alles inklusive.

„Habt Ihr da denn schon das Tränengas mit eingerechnet?“ fragte uns unsere Nachbarin besorgt, als wir ihr von unserer Reise erzählten. Ohne Tränengas, einem soliden Vorhängeschloß und einer Gaspistole würde sie sich jedenfalls nicht auf die Linie „Berlin- Prag-Wien“ begeben, von der doch jeder wisse, daß die Nachtzüge immer überfallen würden.

„Wofür brauchen wir denn die Gaspistole, wenn wir doch Tränengas dabeihaben?“ wollte meine Freundin wissen, noch bevor ich nachfragen konnte, wo denn überhaupt die Gefahr herkomme. Aber da war unsere Nachbarin schon derart in Fahrt gekommen, daß Zwischenfragen bis auf weiteres absolut zwecklos waren.

Erst neulich habe sie mit einer Frau gesprochen, die zwischen Prag und Wien auf schrecklichste Weise ausgeraubt worden sei, erzählte sie uns mit dämonischer Stimme. „Die kamen da rein, kurz hinter Prag, nebelten die Fahrgäste mit Tränengas ein und zwangen so alle zum Verlassen des Abteils, das sie dann in Windeseile nach Wertgegenständen durchstöberten. Dauerte alles nur ein paar Sekunden, und schwups, waren sie wieder verschwunden. Über Prag würde ich jedenfalls nicht fahren.“

„Dann haben die also Tränengas und nicht wir?“ hakte meine Freundin ein zweites Mal nach, während ich der Gefahr aus dem Osten immer noch nicht so recht trauen wollte. „Im Reisebüro haben sie mir extra den Nachtzug empfohlen“, wandte ich ein. „da haben sie mir nix von gefährlichen Überfällen erzählt.“ – „Pah!“ wischte unsere Nachbarin mein Argument vom Tisch. „Die wollen doch nur Geld verdienen. Glaubt mir, wenn ihr da mit heiler Haut rauskommt, habt ihr direkt noch einmal Glück gehabt.“

In jedem Fall sollten wir weder Bargeld noch Schmuckgegenstände mit uns führen, riet sie uns. Ein Vorschlag, der mir eher abwegig erschien, würden wir doch unter diesen Umständen am Samstag morgen ohne einen Pfennig Geld am Wiener Hauptbahnhof ankommen. „Das blüht euch so oder so!“ meinte sie überzeugt. Die Geldnot könne man schließlich mit einer Kreditkarte überbrücken. „Aber schreibt euch sicherheitshalber die Telefonnummer zum Sperren der Karte auf“, meinte sie, „und zwar keinesfalls im Portemonnaie, denn das ist dann ja auch weg.“ Am sichersten sei es, die Nummer auf dem Bauch zu notieren.

„Aber wenn wir kein Geld haben, können wir doch gar nicht telefonieren“, wandte meine Freundin ein, und selbst ich begann nun darüber nachzudenken, ob ein Vorhängeschloß vielleicht die bessere Lösung wäre. „Gehen Schlafwagentüren denn zur Seite oder nach innen auf?“ frage ich nach, „denn im zweiten Fall sollten wir vielleicht besser einen Holzkeil mitführen.“ Aber da mußte unsere Nachbarin dann natürlich passen.

Wir hatten gerade beschlossen, angesichts dieser unsicheren Informationslage vielleicht doch besser das Flugzeug zu wählen, als ich noch einmal auf unsere Tickets schaute. Wenn man dem Reisebüro glaubt, fährt der Zug zwar über Prag, hält dort aber nicht.