■ USA: Schlag gegen den Terrorismus ist ein Rundumschlag
: Wo gehobelt wird, da fallen Späne

Nach allen Regeln der Politdramaturgie ist es eine gelungene Inszenierung: Am ersten Jahrestag des brutalsten Terroranschlags in der US-Geschichte wird im Kongreß ein Gesetz zur Terrorismusbekämpfung verabschiedet. Angehörige der Opfer werden mediengerecht vorgeführt, um zu beteuern, daß dies nur im Sinne der Toten sein könne. Der Präsident klatscht Beifall und zückt den Stift zur Unterschrift. Es paßt alles wie die Faust aufs Auge. Wer dabei k. o. geht, interessiert derzeit kaum jemanden.

Was Bill Clinton und der US-Kongreß als Schlag gegen den Terrorismus preisen, ist in Wirklichkeit ein doppelter Fußtritt gegen den Rechtsstaat. Der erste zielt auf Ausländer, die aufgrund des Verdachts auf „Unterstützung einer terroristischen Organisation“ abgeschoben werden können – oder gar nicht erst in die USA einreisen dürften. Nimmt man diese Definition wörtlich, müßten ein paar tausend Iren in Boston und Umgebung die Koffer packen, weil sie für die IRA Geld gesammelt haben, und Nelson Mandela kann froh sein, daß er inzwischen gewählter Präsident Südafrikas ist. Zu Zeiten der Apartheid wäre auch der ANC unter dieses Gesetz gefallen.

Der zweite Tritt zielt auf ein zentrales Rechtsprinzip, wonach kein Urteil und schon gar kein Todesurteil Bestand haben darf, wenn die in der US-Verfassung garantierten Grundrechte des Verurteilten verletzt worden sind. Es ist schon schlimm genug, daß in den USA derzeit niemand willens ist, das verfassungsrechtliche Verbot „grausamer Bestrafung“ auf die Todesstrafe auszudehnen. Den Verurteilten nun auch noch den Schutz ihrer Grundrechte abzusprechen, ist Populismus der widerwärtigsten Sorte. Unter dem Banner der Vergeltung sollen Todesurteile schneller vollstreckt werden – auch wenn dabei Unschuldige unter die Räder respektive auf den elektrischen Stuhl kommen. Wo gehobelt wird, da fallen Späne – dem folgt auch Clinton, der gelernte Jurist und Maestro des öffentlich zelebrierten Mitgefühls.

Es ist zweifellos makaber, daß ausgerechnet die „Gingrich-Republikaner“ im US-Repräsentantenhaus dem US-Präsidenten einige staatliche Machtanmaßungen aus dem Gesetzentwurf gestrichen haben. Doch gegen die Beschleunigung von Todesurteilen und Abschiebungen haben auch sie nichts einzuwenden. Im Gegenteil. Am Ende haben sich beide Seiten wieder hinter einem Gesetz zusammengefunden, das die wachsende Gefahr rechtsradikaler Terroraktionen ignoriert und die Opfer des Anschlages von Oklahoma City verhöhnt. Andrea Böhm, Washington