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Anti-Terror-Gesetz trifft keine Terroristen

■ Die mutmaßlichen Attentäter von Oklahoma City sind von dem neuen Gesetz kaum betroffen, das der US-Kongreß pünktlich zum Jahrestag verabschiedet

Washington (taz) – Noch vor wenigen Monaten hätten sich die Mitglieder des „American Jewish Committee“ nicht träumen lassen, jemals eine Koalition mit den „Gun Owners of America“ einzugehen, einer extremen Randgruppe der Waffenlobby mit Verbindungen in das rechtsextreme Lager. Doch nun haben beide Organisationen einen Protestbrief gegen einen Gesetzentwurf zur Terrorismusbekämpfung unterzeichnet, der rechtzeitig zum heutigen ersten Jahrestages des Bombenanschlages von Oklahoma City im US-Senat verabschiedet wurde und nun auch das US-Repräsentantenhaus passieren soll.

Auch US-Präsident Clinton hat seine Zustimmung signalisiert und den Wählern einen wichtigen Schritt im Kampf gegen den Terrorismus in Aussicht gestellt. Das „American Jewish Committee“ und die „Gun Owners of America“ teilen diese Meinung ebensowenig wie über 20 weitere Organisationen, darunter amnesty international, die „American Civil Liberties Union“ (ACLU), die Gewerkschaft schwarzer Polizisten, der „American Muslim Council“ und der „Irish National Caucus“.

Der Gesetzentwurf war unmittelbar nach dem Anschlag in Oklahoma am 19. April 1995, bei dem 168 Menschen starben, in beide Kammern des Kongresses eingebracht worden. Was heute nach langen Auseinandersetzungen zwischen dem Weißen Haus und dem Parlament herausgekommen ist, enthält jedoch kaum Maßnahmen gegen die Gewaltbereitschaft der rechtsradikalen Milizenbewegung, der auch die beiden mutmaßlichen Attentäter von Oklahoma City, Timothy McVeigh und Terry Nichols, zugerechnet werden. Die zentralen Abschnitte des Entwurfs zielen vielmehr darauf ab, den Instanzenweg nach einem Todesurteil drastisch zu verkürzen sowie die Abschiebung von Ausländern zu erleichtern.

In der schillernden Protestkoalition gegen das Gesetz sind Waffenfanatiker, Bürgerrechtler und ethnische Interessenverbände aus den verschiedensten Motiven versammelt. Erstere opponieren gegen Bestimmungen, die die Macht des Staates bei Ermittlungen erweitern; ethnische Verbände befürchten, daß die Beschleunigung des Abschiebeverfahrens vor allem Angehörige arabischer Nationen oder Sympathisanten der IRA betreffen könnte. Bürgerrechtsorganisationen wiederum protestieren vehement gegen die Beschneidung des Berufungsweges für Insassen der US-Todestrakte. Damit, so heißt es in dem Protestbrief, würde faktisch der „Habeas Corpus Act“ aus dem Jahre 1867 aufgehoben. Der gibt jedem US-Bürger das Recht, gegen ein vermeintliches oder tatsächliches Fehlurteil einer einzelstaatlichen Instanz bei einem Bundesgericht Einspruch einzulegen und die Verletzung seiner Grundrechte geltend zu machen. Eine Studie der Anwaltskammer von New York City ergab vor kurzem, daß Bundesrichter in fast 40 Prozent aller „Habeas Corpus“- Anträge von Todestraktinsassen juristische Fehler feststellen und das Todesurteil aufheben.

Todesurteile schneller vollstrecken

Nach dem neuen Gesetz hätten Verurteilte nur noch sechs Monate Zeit, einen solchen Antrag zu formulieren, was vielen angesichts der Knappheit qualifizierter Anwälte unmöglich sein dürfte; gleichzeitig würde die Kompetenz der Bundesgerichte massiv eingeschränkt. Befürworter erhoffen sich vom neuen Gesetz eine schnellere Vollstreckung von Todesurteilen.

Als eklatanten Verstoß gegen rechtsstaatliche Prinzipien wertet die ACLU, eine der exponiertesten Bürgerrechtsorganisationen in den USA, auch die geplanten Maßnahmen gegen Ausländer. Der Verdacht der „Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“ würde in Zukunft ausreichen, Ausländer abzuschieben, ohne daß die Ermittlungsbehörden ihr Belastungsmaterial offenlegen müßten. Ausländischen Mitgliedern einer „terroristischen Organisation“ soll darüber hinaus die Einreise in die USA verweigert werden, auch wenn sie selbst keine Straftaten begangen haben. Ein ähnliches Gesetz war erst 1990 vom Kongreß abgeschafft worden.

Mit anderen Forderungen scheiterte die US-Regierung allerdings am Widerstand der republikanischen Mehrheit im Kongreß. Sehr zum Ärger des Präsidenten wollten die Abgeordneten weder das FBI ermächtigen, bei „Verdacht terroristischer Aktivitäten“ Abhöraktionen ohne richterliche Genehmigung durchzuführen, noch wollte man der Polizei erlauben, bei Antiterrorermittlungen stärker mit dem Militär zusammenzuarbeiten. Gestrichen wurde zudem die Erleichterung von Zivilklagen gegen Waffenhersteller. Dagegen hatte neben Bürgerrechtsorganisationen auch die „National Rifle Association“ (NRA) mobilisiert, die Lobby der US-Waffenhersteller und -besitzer. Andrea Böhm

Kommentar Seite 10

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