„Wir geben keinen Fisch, sondern eine Angel“

■ Hanf-Textilproduktion in Rumänien als Teil deutscher Entwicklungshilfe

Die Textilproduktion ist lohnintensiv und wird daher noch lange Zeit in Osteuropa und Asien bleiben. Davon ist zumindest Anton Holler aus dem bayerischen Deggendorf überzeugt. An eine boomende Hanf-Textilindustrie in Deutschland glaubt der Stoffimporteur nicht, „der Zug ist abgefahren“. Für deutsche Landwirte stelle das kein Problem dar, vermutet er. Selbst wer seit der Anbauerlaubnis auf Hanf setze, werde zunächst alles in die Saatgutvermehrung geben. „Da gibt's bislang viel zuwenig.“ Danach werde der Markt für deutsche Herstellung sicher eher im Baubereich liegen, etwa bei der Wärmeisolierung oder der Trittschalldämmung.

Die Textilindustrie habe noch zahllose Schwierigkeiten zu meistern, meint auch Matthias Renner, Mitarbeiter der Abteilung Nachwachsende Rohstoffe des Katalyse-Instituts in Köln. Der Automatisierungsgrad der Maschinen sei gering, Lohnkosten und notwendige Investitionen seien hoch. Auch im Landwirtschaftsministerium von Sachsen- Anhalt bemüht man sich gerade, zu große Hoffnungen auf den Hanf-Boom gerade in Sachen Kleidung zu dämpfen.

Importeur Holler sieht die Lösung vor allem in einem Land: in Rumänien. Denn dort habe der Hanfanbau Tradition, ebenso die Textilverarbeitung. Die verhältnismäßig niedrigen Lohnkosten ermöglichten es zudem, parallel an neueren Technologien zu forschen, die Herstellung vor Ort zu perfektionieren. Vom Vorwurf, ein Billiglohnland zu kolonialisieren, will Holler daher nichts wissen, zumal sein rumänischer Partner zuleich sein Schwiegervater ist. Vielmehr sieht er seine Arbeit als Entwicklungshilfe im positiven Sinne: „Wir geben denen keinen Fisch, sondern eine Angel.“ Da er die Standards hochtreibe, würden seine Partner international wettbewerbsfähig. „Wir zahlen ein Drittel mehr Lohn, dafür lassen wir uns keinen Scheiß andrehen.“

Weniger drastisch, doch grundsätzlich ähnlich wird die Situation von der Deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) in Eschborn beurteilt: „Der Hanfanbau ist ein Selbstläufer in Rumänien, da haben die enorm viel Eigenerfahrung“, so Marcel Schwickert, GTZ-Sektormanager für Nahrungsmittel und Agrarprodukte. Für Textilien aus Hanf oder auch Flachs gebe es in Rumänien sogar „eine sehr starke Binnennachfrage“, diese könne aber wegen der meist mangelhaften Qualität nicht befriedigt werden. „Entwicklungshilfe heißt dort also vor allem Qualitätsverbesserung“, so Schwickert zur taz. Die GTZ hat daher in der Hauptstadt Bukarest den „Integrierten Beratungsdienst für die Wirtschaft“ eröffnet, der einzelbetriebliche Beratung in unterschiedlichen Wirtschaftszweigen anbietet.

Auf Erfolge verweist bisher vor allem Importeur Holler. Nach seiner Darstellung könne bislang nur in einer seiner Partnerfabriken ein so feiner Faden gewonnen werden, wie er für edle Trikotagen benötigt werde: „18 Meter Faden aus einem Gramm Hanf, das kann sonst keiner.“ Zudem sei es erst vor drei Wochen „endlich gelungen“, einen Original-Blue-Denim-Faden für Blue jeans herzustellen. Leonard B. Schilling