Startschuß für Hanfaussaat

Seit März darf THC-armer Nutzhanf wieder auf deutschen Feldern angebaut werden. Landwirte fühlen sich aber durch Auflagen „stranguliert“  ■ Von Ole Schulz

Die brandenburgischen Havelbauern nannten Hanf zu Beginn des Jahrhunderts häufig Luchgold – denn auf den Wiesenflächen von Flachmooren wächst die Pflanze besonders gut. Ein solches Feuchtarreal ist auch das Waldstück vor dem Dorf Uetz-Bornim in der Mark Brandenburg. Der Ort ist ideal für Hanf, der genügsam ist und vor allem viel Wasser braucht. Auf dem sumpfigen Boden in der Nähe der Havel wird Gottfried Zaunmüller bald als einer der ersten deutschen Landwirte wieder Hanfsamen aussäen. Der 66jährige Zaunmüller ist Betriebsleiter der Agrargenossenschaft Uetz-Bornim und gilt als Hanfpionier. Seit Jahren kämpft er für die Wiederzulassung der Nutzpflanze, aus der zu seinen Kindertagen noch Tuche und Seile gewonnen wurden. Nicht nur Zaunmüller hofft, daß sich Hanf auf dem nahezu gesättigten Agrarmarkt zu einer gewinnbringenden Nische entwickeln wird, da die Hanffasern vielseitig verwendbar sind und sich aus ihnen etwa Papier, Textilien und sogar Baustoffe herstellen lassen.

Seit der Änderung des Betäubungsmittelgesetzes durch den Bundestag am 1. März darf rauschmittelarmer Hanf wieder auf deutschen Böden angepflanzt werden. „Weil der Winter so kalt war, werde ich noch einige Wochen bis zur Aussaat warten müssen“, sagt Zaunmüller. Spätestens in der ersten Maiwoche müsse dies geschehen, damit die Ernte im Herbst eingefahren werden könne. Die ersten Pflanzen sollen dieses Jahr auf einem zehn Hektar großen Stück Land der ehemaligen LPG stehen – bei einer Gesamtfläche des Betriebes von 1.600 Hektar ist das zunächst nur eine kleine Ecke.

Zu den regionalen Zentren des sich neu entwickelnden Hanfmarktes gehören neben Brandenburg auch Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein- Westfalen und Baden-Württemberg. In der Bundesrepublik wird 1996 auf rund 800 Hektar Hanf angepflanzt werden, schätzt Michael Karus, Geschäftsführer des Nova- Instituts in Köln – für mehr wird allein das vorhandene Saatgut nicht ausreichen. Denn in der Europäischen Union (EU) sind nur zwölf Hanfsorten, die maximal 0,3 Prozent des Rauschwirkstoffes Tetrahydrocannabinol (THC) enthalten dürfen, für den Anbau zugelassen – und diese Sorten sind in Deutschland knapp. Ohnehin waren für die diesjährige Aussaat nur Samen aus Frankreich zu haben, die dort bereits seit fünf Jahren gezüchtet werden. Doch die gesamte französische Hanfsaat scheint schon verkauft zu sein. Auch bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft, bei der täglich bis zu fünfzig AnruferInnen fragen, wo sie denn noch die vorgeschriebenen Sorten erhalten, kennt man keinen Samenhändler, der liefern könnte. Vermutlich wird sich der Engpaß im kommenden Jahr geben, wenn weiteres EU-konformes Saatgut zugelassen wird.

Bei der Fachagentur für nachwachsende Rohstoffe, einer Einrichtung des Bonner Landwirtschaftsministeriums, geht man trotzdem davon aus, daß in diesem Jahr auf bis zu 2.000 Hektar Land Hanf wachsen wird. Aber auch wenn diese hochgegriffene Schätzung zutreffen sollte, wäre das angesichts von bundesweit 11,7 Millionen Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche nur ein bescheidener Anfang einer Renaissance der Nutzpflanze Hanf.

Vor verfrühter Euphorie warnen viele: „Dieses Jahr ist es noch eine Mutfrage, auf Hanf umzusteigen“, sagt etwa Bernd Birk vom Landesverband Hanf Mecklenburg-Vorpommern. „Die Bedingungen, unter denen der Anbau gefördert wird, sind sehr restriktiv“, beschwert er sich. Auch für Gottfried Zaunmüller kommen „die vielen Auflagen einer Strangulierung“ gleich. Zwar müssen die Landwirte den Hanfanbau nicht mehr genehmigen lassen, sondern nur noch bis zum 15. Juni bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft anzeigen, aber dennoch ist es nicht ganz einfach, die EU- Prämie von rund 1.500 Mark pro Hektar zu erhalten. Der Hanf muß dafür nicht nur abgeerntet, sondern auch seine Abnahme gesichert sein. Dabei gibt es in Deutschland derzeit weder industrielle Anlagen, um die Hanffasern von den hölzernen Pflanzenstengeln zu trennen, noch viele Unternehmen, welche die robusten Fasern weiterverarbeiten können. Freuen können sich immerhin schon die niedersächsischen Landwirte: Sie fanden mit dem holländischen Zellstoff- und Papierfabrikanten Hamp Flax einen Partner, der ihnen den auf der größten deutschen Anbaufläche von 200 Hektar gewachsenen Hanf abnimmt.

Jetzt soll angeblich mit Autozulieferbetrieben des VW-Landes über die Herstellung von Seitenverkleidungen und Armaturenbrettern verhandelt werden. Kommt nach dem Rolling-Stones- Golf nun bald der Hanf-Polo?