■ Rosi Rolands Bremer Geschichten: Piepmätze - ein böser Traum
Gut ein Jahr ist es her, da erschütterte die „Piepmatz-Affäre“ Bremen: Hatte das Umwelt-Ressort doch wertvolle Flächen in der Hemelinger Marsch als Vogelschutz-Gebiete nach Brüssel gemeldet, die das Wirtschaftsressort als Gewerbe-Gebiete im Auge hatte. Umweltsenator Fücks wusch seine Hände in Unschuld, es nützte nichts: die Ampel zerbrach an dem Streit.
Ein Jahr danach wollte eine Europa-Abgeordnete wissen, ob die Kommission beim Europäischen Gerichtshof dagegen Klage einreichen wolle, daß Bremen seine Vogelschutz-Gebiete korrigiert habe. Und ob die Zurücknahme der Marsch-Fläche aus den Schutzräumen durch den Bremer Senat rechtmäßig sei. Denn als Vogelschutz-gebiet anmelden kann man nur Flächen, in denen Vögel wild leben. Die Frage könnte sich stellen: Sind die Vögel einfach weggeflogen oder sollen sie nach Aufhebung des Vogelschutzes von den Baggern vertrieben werden?
Am 17. April veröffentlichte nun die EU-Kommission in ihrem Amtsblatt die Antwort auf die hochnotpeinliche Anfrage: „Die Kommission hat keinen Antrag der deutschen Regierung auf Rücknahme der Ausweisung als Schutzgebiet zur Erhaltung wildlebender Vogelarten erhalten.“ Das bedeutet: In Bremen hat das Wirtschaftsressort aus der Vogelschutz-Anmeldung einen Skandal gemacht, der die Ampel-Koalition zum Sturz brachte, ein Jahr ist seitdem verstrichen, in Brüssel passierte seitdem – nichts.
Diese Information haut selbst den gestürzten Senator, Ralf Fücks, vom Sockel: „Ich bin verblüfft“, sagt er. Noch zu seiner Amtszeit, also im Februar 1995, war dem Bundesumweltministerium schriftlich die Bitte übermittelt worden, die Anmeldung bei der EU entsprechend zu korrigieren. Das Bonner Ministerium hat die Papiere bis heute nicht weitergereicht.
Nur den Sprecher der Umweltbehörde läßt die Nachricht kalt: Das Bundesumweltministerium habe den Bremer Vorgang offenbar aus anderen Gründen noch nicht nach Brüssel weitergegeben, weiß der Behördensprecher. Für Bremen habe diese Tatsache aber keinerlei Bedeutung: der 50 Meter breite Streifen Vogelschutz-Gebiet, um den es in der Piepmatz-Affaire ging, sei auch in den Plänen der Wirtschaftsbehörde nicht als Gewerbegebiet vorgesehen. Warum also die ganze Piepmatz-Affäre? Der Behördensprecher: „Das wurde damals nur hochgezogen, um die Ampel-Kolition zu torpedieren.“
Rosi Roland
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