Beirat aufgeschreckt

■ Stave plant Supermarkt auf dem Vegesacker Sahnestück Lürrsen-Gelände / Die Kaufleute wehren sich

Wendelin Seebacher war auf seinen Vortrag über eine mögliche Bebauung des Lürssen Geländes in Vegesack gut vorbereitet. „Wir müssen den Mut haben, Großes zu wagen“, sagte der Geschäftsführer der Stadtentwicklung Vegesack GmbH (Stave) am Donnerstag abend auf der öffentlichen Beiratssitzung und ließ den roten Leuchtpunkt seines Mikrophons über die Farbfolie auf dem Overhead-Projektor wandern: Direkt am Wasser sollen Wohnungen und Büros gebaut werden. Vor dem Schulschiff „Deutschland“ sind ein Restaurant und ein Kiosk geplant. Außerdem sollen ein Hotel, ein Kino, eine Disco, kleinere Läden und Gaststätten Touristen auf die 90.000 Quadratmeter große Werftbrache locken.

Doch um den größten Gebäudekomplex machte Seebacher mit seinem Leuchtpunkt einen großen Bogen: Mangels anderer Investoren will die Stave mit dem Segen des Wirtschaftsressorts am Ufer der Lesum einen Supermarkt bauen (siehe taz 27.3). Das Gelände gilt als eines der wertvollsten Ufergrundstücke Bremens. Die Pläne, dort einen Verbrauchermarkt hinzustellen, bergen politischen Zündstoff. Das weiß auch Seebacher. Auf einem zweitägigen Seminar in einem Drei-Sterne-Hotel in der Lüneburger Heide hatten er und Vertreter des Wirtschaftsressorts versucht, die Kommunalpolitiker von dem Bauvorhaben zu überzeugen. Offenbar mit Erfolg.

Die Pläne seien „ein Schritt nach vorne“, lobte Ortsamtsleiter Reiner Kammeyer (SPD). Und auch die Beiratsmitglieder bedankten „herzlich“ bei Seebacher für den „eindruckvollen Vortrag“. „Wir haben keine Zeit zu verlieren“, mahnte Rainer Buchholz (CDU) zur Eile. „Wir bringen ihren Plänen große Sympathien entgegen“, versicherte Günter Kuhnert (FDP). „Wir müssen Kaufkraft anziehen“, sprach sich auch Reimund Kasper (SPD) für den Supermarkt aus.

Nur Reinhold Koch (Grüne) wagte Kritik. „Dieser riesige Schuhkarton ist eine Sünde gegen die Stadtentwicklung.“ Der geplante SB-Markt sei ein „Automagnet“ – das Verkehrschaos vorprogrammiert. „Der Verbrauchermarkt lockt 900 Autos pro Stunde in Spitzenzeiten in dieses Zentrum“, schlug Thomas Kramer in die gleiche Kerbe. Der Vegesacker Geschäftsmann zitierte Zahlen aus dem Gutachten einer Hamburger Unternehmensberatung, das die Stave in Auftrag gegeben hatte. „Die Kunden werden vom Besuch in der Innenstadt abgehalten. Die Fußgängerzone blutet aus.“ Die Sanierung der Innenstadt, die vor Jahren 100 Millionen Mark gekostet habe, sei damit wertlos, argumentierte Kramer. „Angesichts der Lage des Vulkans wird das zukünftig verfügbare Einkommen maßgeblich mit vom Arbeitsamt bestimmt. Die Höhe der Kaufkraft, von der Sie ausgehen, kann ich nicht erkennen.“ Woher er die Kaufkraft nehmen will, wußte Seebacher nicht zu sagen. Die Argumente Kramers hatten einige Beiratsmitglieder offenbar aufhorchen lassen. Im Herbst soll über die Pläne entschieden werden. Vorher wollte der Beirat Akteneinsicht nehmen – um sich gründlich vorzubereiten. Ortsamtleiter Kammeyer will dagegen Veto einlegen. kes