Der lange Kampf um die freie Welle

■ Freie Radioinitiativen planen einen nichtkommerziellen Lokalfunk in Berlin als dritte Säule zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Sendern. Die Medienanstalt mauert

„Ein freier Zugang zum Radio ist nur möglich, wenn man dickes Geld hat.“ Tilo Sankowski vom Landesverband Freier Radios Berlin-Brandenburg (LFR) sieht das Grundrecht auf Pressefreiheit im Äther nur ansatzweise verwirklicht. „Kleine Initiativen, die einen Bürgerfunk wollen, sind faktisch ausgeschlossen.“ Mit den privaten Kommerzfunkern seien ihre Inhalte kaum auf eine Wellenlänge zu bringen. „Und die öffentlich- rechtlichen Sender werden von den Parteienvertretern in den Rundfunkgremien dominiert.“

Seit der finanziellen Pleite von Radio 100 vor fünf Jahren blieb der Berliner Radiohimmel frei von Schrägem, Experimentellem und Quergedachtem. Einige wenige Radiopiraten versuchten, ohne Genehmigung mit ihrem „Radio P“ dazwischenzufunken. Verfolgt von den Peilwagen der Post und bedroht von bis zu fünfjährigen Freiheitsstrafen suchten die Radiofans aber bald nach einem legalen Weg. Vor zwei Jahren gründeten sie den LFR.

Die meisten Anknüpfungspunkte fanden die Radioten zunächst beim Offenen Kanal, wo sie als „Radio Kabelbrand“ starteten. Doch schon die Beschränkung des OK auf das Kabel halten die Freifunker für unzureichend. „Radio hört man in der Küche, im Auto, auf dem Klo“, erklärt Sabine Ledzbor vom LFR, an Alltagsorten, die man nur über eine Antennenfrequenz erreicht. Die Zusammenarbeit mit dem OK scheiterte aber weniger an der Technik, als an unterschiedlichen Konzeptionen. Da sich Mitteilungswillige für jede Sendung neu um einen Platz bemühen müssen, ist es unmöglich, regelmäßige Termine zu bekommen. Zwar wurde dem LFR letztes Jahr ein wöchentlicher Vierstundenblock zugestanden, aber seit Jahresbeginn habe man versucht, die Kabelbrenner auf den üblichen Nutzerstatus zurückzustutzen.

Auch inhaltlich ist den Freien der Offene Kanal zu liberal. „Da folgt auf eine anspruchsvolle Ökologiesendung die Werbung einer Psychosekte oder ein völkischer Rundumschlag aufrechter Deutscher“, kritisiert der LFR die nur durch das Strafgesetz beschränkte Programmvielfalt. In dem Umfeld fühlen sich die LFR-Betreiber nicht wohl. In ihrer Charta für Freie Radios verlangen sie zwar auch die „unzensierte Meinungsäußerung und Informationsvermittlung“. Vorrangig sollen aber Gruppen ans Mikro, „die wegen ihrer gesellschaftlichen Marginalisierung oder sexistischer und rassistischer Unterdrückung kaum oder nicht zu Wort kommen.“

Letztes Jahr rief der LFR daher das „Pi-Radio“ ins Leben. Parallel zu den „Berliner Unabhängigen Radionächten“ (BURN) gingen sie im Oktober auf einer von der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) gemieteten Veranstaltungsfrequenz für 48 Stunden auf Sendung. Finanziert durch Konzerte in zwölf Clubs belebten Beiträge freier Gruppen aus ganz Deutschland die Berliner Radioskala. Im Januar bewarb sich Pi- Radio um eine der freien Radiofrenquenzen. Inzwischen haben die Pi-Raden den Antrag aber zurückgezogen. „Schon für die Anhörung wollte die Medienanstalt 3.000 Mark Gebühren“, erklärt Tilo Sankowski. Zuviel für ein aussichtsloses Begehren. „Die Antragsformulare sind völlig auf Kommerzfunk ausgerichtet. Medien werden da nur als Wirtschaftsfaktoren gesehen.“

Zwar gibt es laut Rundfunkstaatsvertrag die Möglichkeit, zwei Prozent der Rundfunkgebühren für nichtkommerziellen Lokalfunk zu verwenden. Doch in Berlin wird dieser derzeit nicht gewünscht. So ist die Medienanstalt auch wenig geneigt, weitere Sendetermine auf der Veranstaltungsfrequenz zu genehmigen. In einem Schreiben wirft die MABB Pi-Radio vor „in erster Linie, die Idee des nichtkommerziellen Radios zu propagieren“. Äußere Ereignisse wie die Walpurgisnacht, den 1. Mai oder die zweiten unabhängigen Radionächte im Juni seien eher ein beliebiger und austauschbarer Aufhänger. Lieber hörte die MABB auf der Veranstaltungsfrequenz die Lieder des Vereins „Marsch für Jesus“, die dann gleichzeitig von allen Marschierern gesungen werden konnten. „Das könnten die Maidemonstranten ja auch“, kontert Sankowski, hält aber gerade das für politisch nicht gewollt.

Mindestens zwei Jahre, schätzt die Radioinitiative, wird es dauern, bis die Realisierung des Traums von einer Dauerfrequenz politisch durchsetzbar ist. Finanziert werden sollte er dann aus einem Teil der Werbeeinnahmen der Privatfunker. In Frankreich funktioniert diese Alimentierung nach dem „akustischen Müllverursacherprinzip“ bereits seit zehn Jahren. Gereon Asmuth