376.353 Freunde sollt ihr sein

■ Vor 75 Jahren fand sich im württembergischen Wüstenrot die "Gemeinschaft der Freunde". Kurze Zeit später entstand daraus Deutschlands erste Bausparkasse

Wer hierzulande ein Eigenheim errichten will, muß sich bekanntlich sputen: Nach jahrelangem Werbefeldzug weiß inzwischen jedes Kind, daß halsbrecherische Manöver vonnöten sind, um bloß nicht den „Wüstenrot-Tag“ zu verpassen.

Der erste Wüstenrot-Tag war der mutmaßlich eher von schwäbischer Bedächtigkeit als von hektischer Eile geprägte 10. Mai 1921. Damals beschloß eine Gruppe um den Initiator Georg Kropp (1865–1943) die Gründung eines Vereins mit dem wirklich schönen Namen „Deutscher Eigenheimverein Gemeinschaft der Freunde Wüstenrot e.V.“ Den Freunden ging es dabei nicht nur um die Finanzierung, sondern beispielsweise auch um die Beschaffung von Bauland und die Organisation von gegenseitiger Hilfestellung der Häuslebauer.

Allerdings hatten Kropp und seine Mitstreiter sich für ihr Unterfangen einen schlechten Zeitpunkt ausgesucht: Die beginnende Inflation drohte alles zunichte zu machen, und deshalb zahlten sie schon kurz nach der Gründung die Spareinlagen zurück. 1924 gelang der Neustart, und 1926 übertrug der Verein die Geschäfte an die „Bausparkasse Gemeinschaft der Freunde Wüstenrot, gemeinnützige GmbH“.

Im gleichen Jahr wechselte die Wüstenrot-gGmbH ihren Firmensitz. Der selbst für württembergische Verhältnisse etwas provinzielle und damit für das von dem expandierenden Unternehmen benötigte qualifizierte Personal wenig attraktive Gründungsort war nunmehr nur noch Namensgeber, die Verwaltung zog in die Nähe von Stuttgart, nach Ludwigsburg. Ein Schritt ganz im Geiste der Gründerväter: „Man konnte sich dort“, so Rainer-Christian Rudolf von Wüstenrot, „sehr günstig ansiedeln.“

Es gelang der Bausparkasse, die Einlagen ihrer KundInnen auch während des Zweiten Weltkriegs zu erhalten. Noch im totalen Chaos des Jahres 1944 berichtete der Wüstenrot-Geschäftsbericht von etlichen Neuabschlüssen. Wenig später requirierten die Alliierten die Firmenzentrale für die Militärverwaltung, doch sorgten sie nach einer kurzen Unterbrechung auch selbst für die Einsetzung eines neuen Vorstands und die Wiederaufnahme der Geschäfte.

Neue KundInnen ließen sich relativ leicht gewinnen: Schließlich herrschte abermals Inflation, und da es für das viele in Umlauf befindliche Geld ohnehin nichts zu kaufen gab, konnte man es genausogut in Bausparverträge stecken. „Den richtigen Knall“, so Rudolf, „gab es dann 1948 nach der Währungsreform“.

Heute ist die „Gemeinschaft der Freunde“ – in Ludwigsburg und Umgebung übrigens unter eben diesem Namen geläufig – ein Konzern mit einer Bilanzsumme von 48 Milliarden Mark. Im letzten Jahr wurden 376.353 neue Bausparverträge über insgesamt 14,17 Milliarden Mark abgeschlossen. Ein etwas unpersönlicher Freundeskreis vielleicht, aber dafür einer, der an jedem Arbeitstag 45 Millionen Mark auszahlt – und das ist ja auch etwas wert. Jochen Siemer