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Dokudrama: „Goldland“, Sonntag, 22.00 Uhr, 3Sat

Eine armselige amazonische Hütte. Der bärtige Kerl, der sonst den Goldsuchern Schnaps und Waffen verbietet, guckt fragend einem Jungen zu, der mit einer Schnur und einem Kompaß hantiert. „Der Äquator“, sagt er, „stell dich hier hin. Dann stehst du gleichzeitig in beiden Welten.“

Am Anfang fliegt das Flugzeug, in dem Campari sitzt, in weiten Schleifen der Ödnis des Minendorfes entgegen. Im Kassettenschacht die Stones, der Bildschirm sagt: „Die Börsenkurse schlossen fester.“ Einer schreit. Einer starrt gebannt auf die Zunge einer Goldwaage. Wie sollen die Augen hier anders aussehen als traurig? Die Wahrsagerin India prophezeit Glück, das ganz große. Doch auch India weiß nichts mehr vom Glück. Ihr Zirkus hat sie verlassen, „weil Gott in krummen Linien schreibt“, sagt sie.

Wenn man sich so behutsam, so vorsichtig einer Geschichte nähert wie Herbert Brödls Film, dann kann man selbst in der Ödnis noch eine Ahnung von Liebe finden. Kein Supernugget, Glücksstaub. Auch die Kamera von Volker Tittel scheut gerade Linien. Sie beschreibt weite Bögen mitten hinein in die Goldsucherwelt und malt in ihr ihre schöne traurige Geschichte vom Glück. Vielleicht ist es ja die Wirklichkeit. Jedenfalls nennt der Autor seinen Film „Dokudrama“, und das soll wohl heißen, daß alles, was wir sehen, ein Stück echt und ein Stück erzählerische Alchimie ist. Die Börsennachrichten im Schirm und die zarte Zuneigung des Indios Campari zu India, die krank wird. Ihre zahme Schlange, die einen ausgedienten Fernseher bewohnt, als Nachfolgerin von Horror, trübem Sex und den Goldkursen aus São Paolo. Und immer wieder Blut. Blut und Gold, Gold und Blut. Als Campari seine erquälten, ermogelten, erduldeten, erliebten Goldzähne gestohlen werden, brutal gezogen. Campari nennt er sich, weil der blutrote Söff sein Lieblingsgetränk ist. Darin bewahrt er Goldstein auf.

Es war ein Irrtum. Diese Geschichte kommt nicht aus beiden Welten. Sie ist von einem Punkt erzählt, der genau auf der Linie liegt. Null Grad, null Sekunden.Lutz Meier