Berlusconi trägt bald rote Socken

In Italien wird morgen gewählt. Da kaum Differenzen zwischen den Blöcken zu erkennen sind, könnte der profillose Wahlkampf eine profillose Rechts-Links-Regierung produzieren  ■ Aus Rom Werner Raith

So langweilig schien Italiens Wahlkampf noch nie. Statt einander an hartkantigen Programmpunkten zu messen, überbieten sich die großen Gruppierungen in der Behauptung, die anderen hätten abgeschrieben. Weniger Steuern, bessere Justiz, neue Arbeitsplätze, Kampf gegen die große Kriminalität, Rückkehr in die europäische Währungsschlange – bei all diesen gemeinsamen Punkten haben das Mitte-Links-Bündnis „Olivenbaum“ und die Rechtsallianz „Pol der Freiheiten“ kaum anderes als das Reklamieren ihrer Urheberschaft zu bieten.

Selbst bei den Führungspersönlichkeiten sind Kontraste nur schwer auszumachen. Spitzenkandidat unter dem „Olivenbaum“ ist Romano Prodi, ehemaliger Generalmanager der größten Staatsholding IRI. Sein Konkurrent beim „Pol der Freiheiten“ ist Medientycoon Silvio Berlusconi.

Statt Ideenstreit Schläge unter die Gürtellinie

Beide genießen den Ruf effizienter Managerqualitäten, beiden prangen aber auch Flecken auf der Weste: Prodi hat bei seinen Sanierungsarbeiten Zehntausende entlassen, Berlusconi steckt im Interessenkonflikt zwischen privaten und politischen Ambitionen. Vorteil Prodis: Berlusconi hat sich als Ministerpräsident von Mai bis Dezember 1994 bereits hinlänglich blamiert. Nachteil Prodis: Er ist von einer unnachahmlich professoralen Trockenheit.

Auch die „flankierenden“ starken Männer der beiden haben Handikaps. Linksdemokratenchef Massimo D'Alema ist trotz seiner erst 45 Jahre schon einmal hoher Funktionär der früheren KP gewesen und hat auch ein Ermittlungsverfahren in Sachen Parteifinanzierung am Hals. Der Führer der rechtsextremen Nationalen Allianz, Gianfranco Fini, ebenso alt wie D'Alema, kommt direkt aus dem neofaschistischen Movimento sociale italiano.

Höchst selten nur kam es zu einem wirklichen programmatischen Schlagabtausch. Eine Sternstunde war dabei eine TV-Elefantenrunde – die die Italiener sich, anders als die Deutschen, vor und nicht nach der Wahl hineinziehen. Die bis dahin als „Benjamina“ verspottete 33jährige Giovanna Melandri, Sozialsprecherin des „Olivenbaums“, zitierte auf die Frage nach ihrem Programm allerlei griffige Formeln über Privatisierung, Liberalisierung, Effizienzsteigerung und Streichung „überflüssiger Sozialleistungen“. Die versammelte Rechts-Führerschaft beschimpfte sie als Zerstörerin des Sozialstaates – bis Giovanna Melandri herzeigte, woraus sie da zitierte: Es war das Programm der vereinigten Rechten.

Ansonsten aber bleibt die Auseinandersetzung vor allem auf Schläge unter die Gürtellinie beschränkt. Deutliche Schonung gewähren sich jedoch die vormaligen Intimfeinde Massimo D'Alema und Silvio Berlusconi. Letzterer brachte es erstmals fertig, seinen bisher gehätschelten Juniorpartner Fini niederzumachen, als dieser mit der Idee ankam, Steuervorauszahlungen abzuschaffen. Viele Kommentatoren sehen darin den Versuch Berlusconis, nicht nur im Rechtsbündnis gegenüber der derzeit in den Umfragen mit 22 Prozent führenden Nationalen Allianz Boden gutzumachen, sondern Signale für einen nachhaltigen Bruch zu setzen und die bereits im Winter angestrebte Große Koalition mit dem Exkommunisten D'Alema zu ermöglichen. Der seinerseits erfreut sich zur Zeit großer Wertschätzung bei den Berlusconi-Sendern, seit er versprochen hat, sich für ein Verbot von Werbesendungen im Staatfernsehen RAI stark zu machen.

Nach allen Umfrageergebnissen könnten die „blockfreien“ Parteien ansehnlichen Zuwachs erzielen. Der noch vor einem halben Jahr bei vier Prozent dümpelnden Liga Nord – vormals mit Berlusconi im Bund, nun aber autonom – geben Meinungsforscher bis zu zehn Prozent, der linksaußen werkelnden „Rifondazione comunista“ acht. Sogar die beim erklärten Neofaschismus gebliebene „Fiamma tricolore“ könnte sich über die Vierprozenthürde hangeln. Behalten die Meinungsforscher recht, wird keiner der beiden großen Blöcke regierungsfähige Mehrheiten erreichen. Was die erneute Auflösung in kleine Fraktionen bedeuten würde. Die Große Koalition zwischen Berlusconi und D'Alema würde sich dann fast zwingend aufdrängen.