Welcher Frieden?

■ Was im Nahen Osten bleibt, ist nur ein Vertrag

Frieden, das war und ist in Israel unstrittig, ist nur aus einer Politik der Stärke heraus machbar. Dieser scheinbar unumstößliche Lehrsatz war Basis des Friedensvertrags mit Ägypten, er hat sich im Friedensprozeß mit den Palästinensern bestätigt, und er soll nun auch im Libanon gelten. Die Raketenangriffe der islamischen Hisbollah vom Libanon auf Nordisrael konnten nach dieser Logik nur mit massiven Vergeltungsschlägen auf den Südlibanon beantwortet werden – nicht um die Hisbollah zur Aufgabe zu zwingen, sondern um die libanesische Regierung dazu zu bringen, die Islamisten in die Schranken zu weisen. Mit dem Massaker in einem libanesischen UN-Camp in Kana ist diese israelische Logik zusammengebrochen. Es war schon vorher kaum möglich, von einer Verhältnismäßigkeit der Mittel zu sprechen, und das ist es jetzt erst recht nicht. Oder will Ministerpräsident Schimon Peres etwa behaupten, daß die mehr als 100 Menschen, darunter viele Frauen und Kinder, für einen Friedensprozeß sterben mußten?

Offenbar nahm man in Jerusalem von vornherein billigend in Kauf, daß die Angriffe im Libanon eine verstärkte Solidarisierung mit der Hisbollah zur Folge haben. Die Islamisten haben mit dem Raketenbeschuß auf Israel angefangen, nicht die Israelis mit ihren Granaten auf den Libanon – das mag zwar richtig sein, aber die Menschen im Libanon, egal ob Muslime oder Christen, machen Israel für ihr Leid verantwortlich, weil der Tod aus Israel zu ihnen kommt.

Israels Premier Schimon Peres mag mit den Bomben seine Wiederwahl erreichen, doch immer fraglicher wird, ob es danach noch einen Partner für den Friedensprozeß im Nahen Osten geben wird. Möglich, daß die libanesische Regierung mit Granaten zu einer harten Haltung gegen die Hisbollah gezwungen werden kann. Sicher aber ist, daß das israelische Massaker viele neue islamische Selbstmordkandidaten produziert.

Für welchen Frieden sollten die Überlebenden von Kana denn auch kämpfen? Der Friedensprozeß im Nahen Osten wird angesichts des Krieges im Libanon ausgehöhlt. Was bleibt, sind Verträge. Was fehlt, ist die Basis für den Frieden, die Bereitschaft zur Verständigung mit dem Gegner. Klaus Hillenbrand