Bewußtsein für das Kleine

■ Franz Dobler liest Donnerstag aus seiner neuen Erzählsammlung

Sprung aus den Wolken, das war in den Achtzigern ne Berliner Band, die so mit Bläsern und vielen halbnackten Jungen versuchte, PigPag, Berlin-Punk, Iggy-mäßig zerschnittene Bühnenshow und Tempo-Correctnes zusammenzubekommen. Auch die hatte ihren Namen schon irgendwoher, ich glaube, Literatur, aber das weiß ich nicht mehr genau. Zum Beginn der Neunziger gab es dann diesen Film Sprung aus den Wolken, ne Berliner Kunststudenten-Geschichte in S/W, die vom Standpunkt der Jugendcorrectness versuchte, die aufgehobene Teilung der Stadt menschlich darzustellen. Jetzt gibts n Buch, das so heißt, der neue Franz Dobler.

Doch der Untertitel DanceHall Stories führt ebenso wie diese Namens-Genealogie in die Irre. Denn die Sammlung verschiedenster Geschichten in diversen Stilen aus mehreren Jahren hat eigentlich nicht Ragga-Musik oder Clubs zwischen Atlantik und Pazifik zum Thema – eine Assoziation, die durchaus nahe läge, wenn man weiß, daß Franz Dobler ein gewiefter Kenner des Zydeco und anderen Musikkulturen aus Lousiana und dort um die Ecke ist. Und wenn man sich die dazugehörige Geschichte durchliest, die ohne Punkt und Komma von einer Lesereise nach Bern berichtet, ist man endlich ganz verkommen.

Oder man nimmt mit einiger Gewißheit an, daß all diese Assoziationen zu den Grundfesten des bayrischen Autoren gehören, auf denen er seine kurzen Erzählungen erhebt. Wobei das entscheidende Wort Stories ist, denn die Art, wie der postbeatnigsche Erzählgeist die Buchstaben reiht, rhythmisiert auch Doblers Geschichten. Der einsame Mann mit Bewußtsein für das Kleine und Haß oder Ignoranz für das Große schlendert stets durch Doblers mit Biografischem gesättigte Prosa.

Dobler beschreibt verschiedene Zeiten seines Lebens, von den ersten Besuchen in einer Buchhandlung als Kind und der erotischen Atmosphäre, die Praktikantin Eleonore dort verbreitete, bis zu Erlebnissen bei Literaturpreisverleihungen oder Lesungen von Hamburg bis eben Bern. Dabei spielt der 1959 geborene und kürzlich als Lektor einer Compilation von deutschsprachigen Bands durch den Spex-Gerichtshof des „Nationalismus“ gerügte Dobler mit den Leseerwartungen bis zur Verwirrung. Denn nach den ersten Geschichten baut sich die Erwartung auf, hier einen biografischen Roman in Story-Form vorzufinden, die aber bald getäuscht, vielleicht sogar enttäuscht wird.

Danach nimmt man jeden Wenigseiter für sich und entdeckt dabei kluge Beobachtungen zu Alltäglichem und die einsichtige Formulierung von Haß gegen den Heuchel, der jeden professionalisierten Betrieb beherrscht – gerade auch den Literaturbetrieb. Dabei bleibt Dobler der aus den Achtzigern, der hinüberrettet, was von damals wert war, geliebt zu werden. Daß er dabei auch mal echt peinliche Aussetzer wie eine mit Klischees vollgestopfte Underground-SF-Story hat, gehört auch irgendwie zum Charme der Vergangenheit, wenn denn der Rest die Waage aus Zorn und Sprachwitz hält. Dem ist so.

Till Briegleb

Sprung aus den Wolken, Nautilus Verlag 130 S. 19,80 Mark Franz Dobler liest am Donnerstag, 23 Uhr, im Golden Pudel Club