18 Abenteurer im Marlboro-Country

■ Wirklich abenteuerlich: Multivision im Modernes über die Ritter von Glimmstengels Gnaden

Kreativ-Büros kennen den geheimen Wunsch des Alltagsmenschen nach Abenteuer und Individualität. Die verzweifelten Versuche des Marlboro-Abenteuer-Teams, mit mannhaften Aktiönchen auf Glimmstengel aufmerksam zu machen, schlagen genau in diese Kerbe. Dennoch versammelten sich am Sonntag nur 36 Zuschauer im Modernes, um wenigstens aus zweiter Hand dem Alltag zu entfliehen und mit einer sogenannten Multivisionsshow bildlich teilzuhaben am schneidigen Abenteurertum.

Da sind sie nicht die ersten. Nach wenig transparenten Kriterien werden jedes Jahr achtzehn, ansonsten fest im Metropolenleben der Industrienationen verankerte, weiße Gewinnspielteilnehmer vom rechtspopulistischen Zigaretten-Multi Phillip Morris zum Abenteurer auf Zeit gemacht. Damit das ganze einen Sinn hat, wird dabei eifrig fotografiert.

Mit 11 Projektoren versuchten die Glimmstengelpropagandeure zu garantieren, daß sich die Dokumentation von den horrenden Wagnissen der Teilzeit-Cowboys von Papas Urlaubsdia-Abenden unterscheiden - vergebens. 4000 Einzelbilder flackerten in 70 Minuten über die Leinwand, begleitet von eigens dazu komponierter Musik, die unfreiwillig die „Gänsehaut-Wirkung“ erzeugte, die im Presse-Info verprochen wurde: Westerngitarrendominierte Kaufhausmusik untermalte eine hektische Kakophonie voller sonnig-blauem Himmel, Wüstenschnappschüssen und Sonnenuntergängen. Ein Hauch Pfadfinderromantik, Zelturlaub,ein bißchen Interrail-Gefühl wurden brutal hintereinander geschnitten, so daß weder die Charaktere der Abenteurer beleuchtet werden, noch Zeit bleibt, an interessanten Orten innezuhalten. Reiseerinnerungen nach 70 Minuten: Mal war's heiß, mal fiel wer ins Wasser, mal fiel in China ein Sack Reis um.

Wenn die Dias in etwa die Realität des Gewesenen wiedergaben, muß ein Trip mit dem Marlboro-Abenteuerteam ein Alptraum sein. Ob per Jeep, per Enduro oder auf dem Pferderücken, alles rast, brackert und hetzt dermaßen rastlos durch die Sierra, vorbei an Indianerruinen, Oasen, Monumenten, daß man sich irgendwann nach dem Streßfaktor des Abenteuers fragt. Wo wenigstens der Marlboro-Cowboy so etwas wie Vergnügen an der Natur, an Pferden und am Rauchen zu haben scheint, wurden achtzehn arme Seelen von Kick zu Kick durch den wilden Westen gehetzt.

Einzig integratives Element der multivisionellen Fragmente war die sonore Stimme eines Sprechers, der mit kryptisch-verstümmelten, aber immer sehr anglophilen Erklärungen versuchte, der Aktion irgendeinen anderen Sinn zu geben, als den, der wahrscheinlich auch noch steuerlich absetzbaren Image-Werbung. Teamgeist habe man gespürt, zu sich selbst gefunden und man sei in Canyons gewesen, wo noch nie jemand zuvor war. Wie es dann allerdings dazu kam, daß unten im Canyon Motorboote auf Lederstrumpf und Co. warteten, wurde nicht aufgeklärt. Dafür gab's dann noch mehr ineinander geblendete Bilder von grinsenden, braungebrannten Feierabendpiraten.

Erfreulich an dem Abend war immerhin, daß die Glimmstengel-Gönner ihr Unkultursponsoring knallhart an der Zielgruppe vorbei konzipiert haben. Rainer, 62, hatte sich eigentlich auf schöne Aufnahmen aus Nationalparks gefreut, fand das Ganze zu hektisch und die Musik nett aber zu laut. „Da gab es im Überseemuseum bessere Vorträge.“ Auch Hamid scherte sich einen feuchten Kehricht um die Glimmstengel: „Ich reise gern, mag Natur. Find' ich gut, daß sie sowas machen. Bin und bleibe aber Nichtraucher.“ Selbst Amerikafreund Uwe, 30 und auch Nichtraucher, war sich nach dem Diabombardement noch immer nicht sicher, ob er sich bewerben soll. Ausgefüllte Bewerbungs- und andere Gewinnspielkärtchen blieben genauso Mangelware wie verkaufte Soundtrack-CD's und volle Aschenbecher, obwohl Rauchen ausdrücklich erlaubt war. Fraglich bleibt also, wer unter diesen Umständen die größeren Abenteurer waren: jene, die sich die grauenhafte Show ansahen, oder jene, die dem Firmenprofit eine gehörige Stange Geld mit solcherlei PR-Konzepten entzogen haben.

Angst macht da, was noch an nikotin-gepowerten Vorträgen droht: Der Glimmstengel-Gigant Reetsma läßt derzeit zehn Gernegroße in der GUS zu Kosmonauten ausbilden.

Lars Reppesgaard