Das Portrait
: Mann zum Anfassen

■ Romano Prodi

Italiens neuer Ministerpräsident: Romano Prodi Foto: Reuter

Seine Versammlungen ähneln eher Oberseminaren, seine Fernsehauftritte haben „die Wirkung von einer Rolle Schlaftabletten“, wie selbst seine eigenen Mitarbeiter juxen. Doch wenn der pausbäckige, unheilbar freundliche professore aus Bologna unters Volk geht, gewinnt er die Herzen sofort. Ein Mann, derart zum Anfassen, daß man ihn „als Kuscheltierchen ins Bett nehmen möchte“, wie sich eine Wählerin ausdrückte. Romano Prodi, 57 Jahre, designierter Ministerpräsident, mußte sich im Laufe seines Marathons von mehr als einem Jahr Dauerkandidatenschaft nicht sonderlich wandeln, um Vertrauen zu gewinnen. Sachlich und höchst beschlagen, mit einer Karriere als Manager in verschiedenen Betrieben: Jobs, die er jedesmal, wenn neue Parteikonstellationen ihn verjagten, ohne Murren mit seinem Lehrstuhl vertauschte. Mit einem enormen Touch von Sportlichkeit versehen, ließ er sich nicht auf eine einzige Ebene locken, die sein Gegenspieler Silvio Berlusconi so beherrschte – und gewann. Daß er im Fernsehen keine Shownummer darstellte, kompensierte er, indem er sich beim Joggen ablichten ließ. Daß er keine Massenmedien besitzt machte er mit einer Gewaltbustour „durch hundert Städte“ wett. Unvermutet tauchte er überall dort auf, wo die Rechte gerade mal wieder Fallen für ihn bereitstellte – mal bei seinen ehemaligen Staatsholdings, wo Berlusconis Leute nach Geschaßten fahndeten, mal bei Untersuchungsrichtern, die irgendwelche Anzeigen gegen ihn bearbeiteten, und denen er seine Aussage so heftig aufs Auge drückte, daß die ihn in Ruhe ließen.

Dabei fand er in all den Wochen des Wahlkampfs nur einmal einen Slogan, der wirklich geglückt war: Als Berlusconi ihm vorwarf, bei der Sanierung von Staatsbetrieben viele Leute um ihre Jobs gebracht zu haben, konterte er: „Ich habe die Holdings im Interesse des Staates saniert. Sie aber sanieren ihre privaten Geschäfte auf Kosten des Staates.“

Trotz all der positiven Eigenschaftes des Mannes – nicht nur seine Feinde trauen ihm am Ende doch nicht ganz. Ihnen schwant etwas: Prodi kommt direkt aus der alten „Democrazia cristiana“. Hat Prodi mit seiner Regierung Erfolg, wird die längst aufgelöste Formation vermutlich bald fröhliche Urstände feiern – und den Staat, den ihr Korruptionsverfahren und Wählerwille nach fünfzig Jahren Mißwirtschaft entzogen hatten, wieder in ihren Griff zu kriegen versuchen. Werner Raith