Shuying: studierte Putzfrau aus Peking

Ausländerinnen wienern deutsche Wohnstuben – meistens schwarz. Sozialminister Blüm will die illegalen Jobs eindämmen und deshalb die sozialversicherte Hausarbeit stärker fördern  ■ Von Petra Welzel

Immer am Puls der Zeit greift die sonntägliche Vorabendserie „Lindenstraße“ die heißen Eisen bundesdeutscher Innenpolitik auf. Gerade hat es das nigerianische Hausmädchen Mary von Hans und Anna Beimer erwischt. Schwanger war sie und illegal in Deutschland, bis sie von der Ausländerpolizei im Krankenhaus ausfindig gemacht wurde. Beimers werden sich eine neue Haushälterin suchen müssen – und diese voraussichtlich nicht mehr schwarz beschäftigen. Sozialminister Norbert Blüm würde das freuen, hat er sich doch die Förderung der Haushaltsjobs auf die Fahne geschrieben. Der Minister hofft bis spätestens zur Sommerpause ein Strategiepapier vorzulegen, mit dem er 870.000 sozialversicherungspflichtige Teil- und Vollarbeitsplätze in Privathaushalten schaffen will.

Haus- und Kindermädchen sollen in Zukunft über einen Dienstleistungsscheck nach französischem Vorbild von ihrem privaten Arbeitgeber abgerechnet werden. Der füllt am Ende eines jeden Monats einen Scheck aus mit ihrem Lohn, bei dessen Einlösung ihr auf ihrem Girokonto gleichzeitig die Sozialversicherungsbeiträge abgebucht werden.

Shuying aus China und Anna aus Polen arbeiten tatsächlich schwarz in bundesdeutschen Privathaushalten. Shuying lebt bereits seit sieben Jahren in Berlin, Anna kommt seit vier Jahren jede Woche für drei oder vier Tage in die bundesdeutsche Hauptstadt. Nach Schätzungen der Bundesanstalt für Arbeit putzen in den bundesdeutschen Haushalten derzeit 768.000 Menschen, meist Frauen in geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen. Mehr als 590 Mark springen dabei im Monat nicht für sie heraus, es sei denn sie haben mehrere solcher Jobs. 732.000 dieser Beschäftigten, also fast alle, sind allerdings noch nicht einmal sozialversicherungspflichtig angemeldet und arbeiten schwarz.

Der Anschein trügt, daß durch die Vorschläge aus dem Hause Blüm tatsächlich zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden könnten. Was die Regierung tatsächlich beabsichtigt, ist eine Umwandlung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse in sozialversicherungs- und meldepflichtige Arbeitsstellen. Und die können dann von den Sozialkassen und dem Finanzamt abgeschöpft werden.

Staat will „Schwarzjobs“ abschöpfen

Shuying arbeitet seit einem Jahr nicht mehr illegal und nur noch ab und an schwarz in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis. Offiziell bekam sie nach sechs Jahren Aufenthalt in Berlin im vergangenen Jahr eine Arbeitserlaubnis. Seither verdient sie ihr Geld mit einer Halbtagsstelle als Putzfrau in einem Büro.

Eigentlich ist Shuying Verlagsredakteurin. In Peking hat sie chinesische Literatur und Sprachwissenschaften studiert. Als sie vor sieben Jahren ihrem in Deutschland promovierenden Mann mit dem gemeinsamen Sohn gefolgt war, dachte sie nur an einen vorübergehenden Aufenthalt. Jetzt hindert sie die Ausbildung ihres 13jährigen Sohnes an einer Rückkehr nach China und sie hofft, vielleicht doch noch eine Möglichkeit zu finden, einer anderen Tätigkeit nachzugehen. „Meinen Kollegen in Peking kann ich nicht erzählen, daß ich hier putzen gehe, das wäre unglaublich“, sagt sie.

Die Vorteile, die sie aber jetzt als Beschäftigte aus einer sozialversicherungspflichtigen Anstellung zieht, sind sicherlich nicht von der Hand zu weisen: im Krankheitsfall ist sie versichert, im Alter versorgt. Sie ist eine Ausnahme: Das Heer der Putzhilfen stellen nach wie vor schwarzarbeitende ausländische Frauen. Und genau das ist der Grund der Bundesregierung, einzuschreiten. Selbst im Büro Maria Böhmers (CDU), die in einer Arbeitsgruppe die Vorschläge Blüms ausarbeitet, wird diese Absicht nicht bestritten: „Die positive Wirkung, die wir uns wünschen, ist natürlich, die Frauen zu erfassen und – ganz klar – die Schwarzarbeit einzudämmen.“

Zahl der offiziellen Haushilfen sinkt

Anna, Lehrerin aus Polen, hat nicht die Probleme wie Shuying. Sie hat ihren Putzjob selbst gewählt, weil sie als Lehrerin in Polen noch weniger Geld verdienen würde. Nach der politischen Wende hat auch ihr Mann seinen Beruf als Jurist an den Nagel gehängt, um sich mit einer Wäscherei selbständig zu machen. Die dadurch entstandenen hohen Schulden zwingen Anna, mehrere Tage in der Woche in Berlin zu arbeiten. Doch das soll nur eine Übergangsregelung sein, bis sie ihre Schulden getilgt haben. Anna sieht das ganz pragmatisch: „Wenn wir ein Problem haben, sind wir ganz stark. Das ist typisch für uns Polen.“

Shuying und Anna – zwei Schicksale und zwei Putzfrauen, die den Deutschen den Dreck wegmachen. Ob das zumindest Anna auch noch in Zukunft wird tun können, hängt davon ab, ob sich das Haus Blüm mit seinen drei Vorschlägen durchsetzen wird: erstens die steuerliche Absetzbarkeit von Haushaltshilfen, zweitens die Einrichtung von Dienstleistungszentren, die in Zukunft die Haushaltshilfen vermitteln und abrechnen sollen, und die Einführung des Dienstleistungsschecks.

Fraglich ist, ob diese Rechnung aufgehen wird. Denn das Problem und die Vorschläge sind nicht neu. Trotz einer schon vorhandenen steuerlichen Förderung ist die Zahl der versicherungspflichtigen Beschäftigten in privaten Haushalten seit 1993 von 120.000 auf 36.000 geschrumpft. Wie auch immer man diese Zahlen interpretieren mag – entweder als Zunahme von Schwarzarbeit oder den Verlust von Arbeitsplätzen in privaten Haushalten –, die BundesbürgerInnen werden möglicherweise schon allein aus finanziellen Gründen trotz neuer Vergünstigungen die Schwarzarbeit bevorzugen.