Die Wahlen in Italien haben dem Rechtsbündnis Berlusconis eine satte Niederlage eingebracht. Eitel Sonnenschein dagegen bei der Linken. Da aber eine knappe Mehrheit erfahrungsgemäß zum dauerhaften Regieren nicht ausreicht, ist Umberto Bossis Lega Nord womöglich Zünglein an der Waage. Aus Rom Werner Raith

Wenn das Berlinguer erlebt hätte...

So unauffindbar war Forza-Italia-Chef Silvio Berlusconi noch nicht einmal in jenen Tagen, wo er mit seinen Getreuesten in südseeferne Klausuren gegangen war. Nichts zu hören und zu sehen von ihm und seinen engsten Mitarbeitern, nicht mal eine Presseverlautbarung bis zum Montag nachmittag. Auch sein Hauptverbündeter Gianfranco Fini von der rechtsradikalen Nationalen Allianz war unauffindbar. Zu tief saß der Schock schon nach den ersten Hochrechnungen.

Nicht nur, daß die im „Pol der Freiheiten“ zusammengeschlossene Rechte nicht an die Schalthebel der Macht zurückkann. Die Niederlage erweist sich auch im Detail als schwerer Rückschlag. So legte die Nationale Allianz gerade mal 2 Prozent auf 15 Prozent zu – in den letzten Umfragen war sie mit etwa 20 Prozent notiert worden, genauso stark wie Berlusconis Forza Italia. Die wiederum mußte ein gutes Prozent Einbuße hinnehmen. Ein Zeichen dafür, daß die Wähler nicht innerhalb des Bündnisses wechselten, sondern tatsächlich zur Konkurrenz überliefen.

Vor allem aber demütigten die Wähler Berlusconi just in seiner eigenen Hochburg, in der Lombardei, wie auch im übrigen Oberitalien. In diesen Regionen bekam die sezessionistische Lega Nord, bei den vergangenen Wahlen 1994 sein Verbündeter, dieses Mal fast 21 Prozent; aufs ganze Land umgerechnet macht das immerhin über 10 Prozent aus. Die Lega wurde damit stärkste Partei in Oberitalien. Lediglich in Sizilien und den südlichsten Regionen konnte sich die Rechte halten – was ihr freilich ein weiteres Mal das Etikett mafioser Verbandelung einbringen dürfte. Den zum Schönreden der Wahlniederlage vorgeschickten Kandidaten der zweiten Garnitur fiel am Ende nichts anderes ein, als monoton darauf hinzuweisen, daß die Mitte-links-Koalition nun wohl auf die Stimmen der Neokommunisten (Rifondazione comunista: 10 Prozent) angewiesen ist und daß es da massive programmatische Differenzen geben wird.

Eitel Sonnenschein dagegen bei der Linken und den linksorientierten Teilen der Moderaten. Und zwar derart, daß ein Karikaturist während der Wahlsendung des Fernsehsenders Raitre schon witzelte: „Die ersten hundert Tage ihrer Regierung wird die Mitte-links- Koalition damit verbringen, sich von der Überraschung des Wahlsieges zu erholen.“ Kann gut sein. Vor lauter Glück wußten die Linken nicht mehr aus noch ein. „Wenn das doch Enrico Berlinguer noch hätte erleben dürfen“, schluchzte eine Frau und hielt ein abgegriffenes Bild des 1994 verstorbenen Führers der Kommunistischen Partei in die Fernsehkameras; die Partei der Linksdemokraten (PDS) ist aus der KPI hervorgegangen.

So ganz ungetrübt ist all das freilich nicht. Für den Senat, das „Oberhaus“ des Parlaments, reichen die 157 vom Mitte-links- Bündnis Olivenbaum (Linksdemokraten, Grüne, Linkskatholiken, Anti-Mafia-Bewegung und die Erneuerungsbewegung des noch amtierenden Ministerpräsidenten Lamberto Dini) gestellten Vertreter zur Mehrheit aus – auch ohne die 10 Prozent der Neokommunisten.

„Die Nacht der langen Messer wird kommen“

Im Abgeordnetenhaus freilich sieht es nicht ganz so gut aus. Da hat die Linke auch mit den Neokommunisten zusammen gerade mal drei Stimmen Mehrheit – in Italien erfahrungsgemäß nicht ausreichend für eine dauerhafte Regierung. Romano Prodi, Chef des Olivenbaum-Bündnisses, wird auf Dauer weitere Verbündete suchen müssen. Da käme allerdings nur die Lega Nord in Frage – mit der zu koalieren Romano Prodi allerdings, ebenso wie Berlusconi, noch zwei Tage vor der Wahl ausgeschlossen hatte.

So wurden bereits in der Wahlnacht Optionen durchgespielt, die auf eine baldige Auflösung der Forza Italia sowie auf den Wechsel einiger Abgeordneter kleinerer Gruppen des „Pol der Freiheiten“ zur Mitte-links-Koalition hinauslaufen. Schon während der Wahlkampagne hatten zum Beispiel die Christdemokraten und das Zentrum (beide aus der Democrazia Cristiana hervorgegangen) mitunter mit der Nationalen Allianz gestritten. In ersten Kommentaren lasten sie denn auch die Niederlage dem sturen Verhalten der Ultrarechten in einigen wichtigen Fragen wie dem der Verfassungsreform und der Justiz an.

Das Fußvolk der Nationalen Allianz bemängelt allerdings an ihrem Führer vielmehr, daß er, als Umfragen die Partei bereits vor der Forza Italia sahen, die Übernahme der Regierung selbst im Falle eines großen Wahlsiegs seiner Partei ausschloß und an dem immer blasseren Berlusconi festhielt. „Die Nacht der langen Messer“, höhnt da die beim traditionellen Neofaschismus gebliebene Abspaltergruppe Fiamma tricolore, „wird kommen, bald, und recht schmerzlich für Fini.“ Das aber gäbe den „Moderaten“ im „Pol der Freiheiten“ dann endgültig ein Motiv für ihr Ausscheiden aus der Rechts-Allianz und zum Schulterschluß mit den Siegern.