Erlösung von links?

■ Italiens neue Mehrheit hat keine großen Chancen

Natürlich freut sich der gemäßigte Zeitgenosse, daß Italiens ultrarechte Nationale Allianz und mit ihr das Bündnis aus Neofaschisten und aggressiven Unternehmern nicht mehr an die Regierung kommt. Der Ausgang des Tunnels, den sich viele Bürger hinsichtlich der Regierbarkeit des Landes von dieser Wahl erwarteten, ist dennoch nicht in Sicht. Die Italiener haben nicht so sehr aus Überzeugung mehrheitlich links gewählt. Viele Wähler trieb vielmehr ihre Enttäuschung über die blamable Vorstellung der Rechten während ihrer Regierung vor zwei Jahren, an deren Spitze Silvio Berlusconi stand. Und die italienischen Wähler haben, zumindest während des Wahlkampfes, bei der Linken erstmals einen wirklichen Regierungswillen ausgemacht, während die Rechte innerlich zerrissen war.

Doch die regierungswilligen Linken stehen vor jener Situation, in der sich auch die Linken anderer Länder schon oft gesehen haben: Sie werden gerufen, wenn die politisch-wirtschaftliche Situation derart verfahren ist, daß man heftigen Unmut des Volkes befürchten muß. Also dann, wenn es eigentlich nichts mehr zu verteilen gibt, man aber die sozial Benachteiligten und Zukurzgekommenen zumindest für einige Zeit ruhigstellen muß.

Mit einem Schuldenberg von umgerechnet mehr als zwei Billionen Mark, einer Arbeitslosenquote von 13 Prozent und dazu noch einer heraufdämmernden neuen Wirtschaftskrise ist das einzige Rezept, das jede Regierung anwenden muß, blanke Strenge: Statt mehr Gerechtigkeit und Umverteilung bleibt nur noch der Griff zu weiteren Einsparungen, zu weiteren Schnitten in das in Italien ohnehin schon großmaschige soziale Netz. An eine Verbesserung der grauenhaft ineffizienten öffentlichen Dienstleistungen oder ein Wiedereintritt ins Konzert europäischer Wirtschaftsmächte der ersten Kategorie ist nicht im Traum zu denken.

So bleibt der wichtigste Aspekt der italienischen Neuwahlen der massive Zuwachs der Lega Nord mit weit über zehn Prozent – und das landesweit, obwohl sie nur im Norden angetreten war. Das ist ein Zeichen dafür, daß die Oberitaliener nach dem Zwischenspiel einer unternehmerisch geführten Zentralpolitik, auf der ihre Hoffnungen ruhten, jetzt voll auf die Abspaltung von Rom setzen. Werner Raith