Tüfteln statt Coolness

■ Bei den Aufnahmen zu ihrem neuen Album forschen Saprize nach Bässen

Der Stadtteil Wülfel im Süden von Hannover ist so beschaulich, daß von dem Messerummel um die CeBit nichts zu spüren ist - ein Ort, an dem man immer einen Parkplatz bekommt. Auf dem Hochbett in einem backsteinroten Fabrikgebäude liegen Gregor und Ingo von Saprize. Pause? Um sie herum türmen sich DAT-Recorder, Keyboards, Rechner. Selbst im Chill-Out-Room ihres Tonstudios, der für Bremens härteste Tanzflächenbeschaller während der Plattenaufnahmen Eß-, Schlaf-, und Fernsehzimmer in einem ist, wird weiter gewerkelt.

„Natürlich ist das was anderes, als in London ein Album zu machen,“ grinst Scratcher Ingo. „Ich mach' noch den Angelschein, dann kann ich wenigstens mit den ganzen Teichen hier was anfangen.“ Sind die Bremer bei ihrer Plattenfirma Rough Trade so in Ungnade gefallen, daß die Zeiten der bezahlten Studioaufnahmen im Schatten des Big Ben vorbei sind ? Exil Hannover bei Wasser und Brot?

„Quatsch,“ meint Gregor, der Soundtüftler und Drummer. Aber billiger ist das ausgezeichnete Studio von Willi Dammeier, wo sonst Punkbands wie Numbfire und Burned Out in ein, zwei Tagen zwanzig Songs auf Tonband kloppen. Und da der Etat von der Firma der gleiche ist, haben sich Saprize diesmal für sechs Wochen Tüfteln statt für zwei Wochen Coolness entschieden.

Eigentlich ist das neue Album überfällig. „Im letzten September hatten wir schon alles klar,“ sagt Ingo. Doch dann kam der Ausstieg von Rapper Chris, der wieder in seine Heimat London zurückkehrte. Arrangements mußten umgeworfen, Songs umgeschrieben werden. Die zum Trio geschrumpfte Kapelle überlegte, wie man eine fehlende Stimme ersetzt. Ben allein ist am Mikro verblieben und nutzt, wenn man von den ersten fertigen Aufnahmen auf das Ganze schließen kann, den Freiraum trefflich. Er hat reichlich dazugelernt, rappt präziser als früher, aber quäkt und brüllt noch immer einzigartig.

Überhaupt wirken Saprize vielfältiger denn je. Nicht nachdenklicher, aber so, als hätte man vorher viel nachgedacht. Mal verleiht ein handgespieltes Cello einem trockenen HipHop-Stück einen überraschend hymnischen Dreh, dann ergänzt eine Gastsängerin den turbulenten Mix aus harten Gitarren, Scratchen und synthetischen Sounds. Irre Trompeten und ein rückwärts eingepieltes „Bad Religion“-Sample machen aus einer punkigen Nummer ein verquirltes Potpourri aus Kopf, Ulk und Energie. Die Stücke sind komplexer, verrückter als früher, aber andererseits deutlich besser produziert. „Vor allem im Baßbereich tüfteln wir diesmal mehr,“ sagt Gregor, dessen Sampler das Gros der Songgerüste trägt.

Nun geht es darum, auch tanzflächentauglich zu werden. Genau das wird knifflig. Schließlich beruht ein Großteil des Charmes der Bremer darauf, sich mit untypischen Sounds dem Tanzbaren zu nähern und den radiotauglichen Groove dann doch haarscharf zu verfehlen. Saprize-Sound kommt vom Hardcore, ist im Gegensatz zu den schwammigeren Hip Hop-Produktionen knackig, hat Persönlichkeit. Die soll er behalten. Schließlich hat das Tüfteln am Klanggewand nichts mit der Suche nach Radiotauglichkeit oder neuen Marktsegmenten zu tun. Antrieb ist der Hang zur Perfektion. Gregor: „Ich möchte endlich mal, daß die Musik das produktionstechnische Gewand bekommt, das sie verdient.“ und daß dabei eine völlig andere Art zu tanzen herauskommt, ist Ehrensache.

Lars Reppesgaard