Willkommen auf dem freien Markt!

Das osteuropäische Verlagswesen hat sich radikal verändert. Die Klagen über den Verlust einer kohärenten Öffentlichkeit zeigen, wie schwer es ist, Pluralität als intellektuelle und ökonomische Herausforderung zu akzeptieren  ■ Von Irena Maryniak

Die Vergangenheit kommt an die Oberfläche“, meint der ostdeutsche Dramatiker Thomas Oberende. „Das Fleisch des Siegers hat Wunden. Die Vergangenheit ist täglich mit uns.“

Mindestens zwei Jahrhunderte lang haben die Intellektuellen Ostmitteleuropas die Sprachen und Traditionen, das kulturelle Gewebe ihrer Länder, geschützt und gepflegt. Unabhängig von Ideologien und Politik verkörperten sie das kulturelle und moralische Gewissen. Dafür erreichten sie innerhalb ihrer Gesellschaften eine Stellung, deren sozialer Einfluß und politische Bedeutung weit über das hinausgeht, was die eher akademisch orientierten Intellektuellen des Westens je erreicht haben. Was die Intelligenzija im Osten forderte, wurde am Ende von der Politik eingelöst.

Seit dem Zusammenbruch des sowjetischen Kommunismus hat sich der Status der Schriftsteller und Künstler dramatisch verschlechtert. Ihr kulturelles Referenzsystem ist auseinandergebrochen, und der Status des Helden wird heute vom erfolgreichen Geschäftsmann usurpiert.

Verarmt, verwirrt und den Launen des Marktes ausgesetzt, müssen sich Schriftsteller eine neue Stellung erobern, eine neue Sprache finden und sich mit neuen Stilen auseinandersetzen. Die Zeiten für die obligatorische Metapher, den stilistischen Subtext und subtile Subversion sind ein für allemal vorbei. Der Samisdat, der russische Begriff für selbstverlegte Literatur, existiert nur noch in einigen Archiven. Tamisdat, die Veröffentlichung „drüben“ im Westen, ist überflüssig, und Tutisdat, das Publizieren „hier und jetzt“, muß sich im Dschungel neuer Produktionsbedingungen, Vertriebs- und Marketingsysteme einen Weg bahnen.

Der Büchermarkt ist mit profitablen Leichtgewichten, meist übersetzte Romane, und Selbsthilfebüchern überschwemmt. Schriftsteller sind zu Geschäftsleuten geworden, Papierpreise in astronomische Höhen gestiegen; die Leser sind anderweitig beschäftigt, entweder weil sie selbst arm sind oder die Auswahl an alternativen Freizeitbeschäftigungen so groß geworden ist. Der zentralisierte Vertrieb ist in der Regel zusammengebrochen, und vor allem in den kleineren Ländern lohnen sich wegen der viel zu niedrigen Auflagen keine komplizierten Marketingversuche. Inzwischen erzielt Qualitätsliteratur kleinere Auflagen als seinerzeit im Untergrund: In Ungarn gab es Samisdat-Literatur auf Durchschlägen in einer Auflage bis zu zweitausend. Heute riskiert kein Verleger mehr als einige hundert für einen neuen Roman. In den achtziger Jahren konnte ein tschechischer Emigrantenverlag eine höhere Auflage für Gedichte und philosophische Essays im Ausland absetzen als heutzutage im eigenen Land. Und Samisdat in Polen kam auf 20.000 Exemplare für Literatur, die heute mit einer durchschnittlichen Auflage von 2.500 zufrieden sein muß. Der freie Markt ist da.

Ungarischer Blues

Unter Ungarns vergleichsweise liberalem sozialistischem Regime konnte jeder Autor, der die richtigen Kontakte hatte, damit rechnen, nach einiger Wartezeit eine Sammlung seiner Arbeiten gedruckt zu sehen. Papier- und Druckkosten waren festgelegt: Ein Buch konnte für rund 80 Pfennige produziert werden. Eine Beziehung zwischen Produktionskosten und Buchpreis existierte nicht.

Im Laufe des vergangenen Jahres sind die Probleme, mit denen sich ungarische Verlage seit der Liberalisierung herumschlagen müssen, gewachsen. Die Produktionskosten steigen, die Kaufkraft potentieller Leser sinkt. Das Durchschnittseinkommen fiel um 10 Prozent durch das Sparprogramm einer Regierung, die damit vor allem eine auf 30 Prozent angewachsene Inflationsrate zu bekämpfen hofft. Zuschüsse für Gesundheit und Erziehung sind geschrumpft, und die dadurch stärker belasteten Budgets haben weniger Spielraum für Buchkäufe.

„Der Sozialismus endete für uns mit der Einführung eines Sparprogramms im Mai 1995“, sagt Geza Morcsanyi, Direktor des bedeutenden Verlages Magveto. „Die Papierkosten sind gestiegen, Zuschüsse durch ungarische Buchstiftung und den Nationalen Kulturfonds sind gestrichen. Unser Wohltäter George Soros, früher Garant für Qualitätsliteratur in Mitteleuropa, sieht Publizieren im Osten heute als Faß ohne Boden und hat sich stärker auf die finanzielle Förderung von Bildungs- und Gesundheitsprojekten konzentriert. Ich weiß nicht, wie wir überleben können.“

Es gibt in Ungarn heute 1.000 Verlage, verglichen mit zwölf 1988, und diese Zahl ist wohl tatsächlich zu hoch für eine Bevölkerung von zehn Millionen. Viele der Verlage produzieren nur fünf bis zehn Bücher pro Jahr, professionellere verlegen bis zu fünfzig, etwa eine Mischung aus Freud und Kochbüchern. Förderorganisationen haben, so scheint es, die Notwendigkeit eingesehen, sich mehr zurückzuhalten, da bestimmte Ungleichgewichte entstanden sind; jetzt warten sie lieber, daß Verlage ihre eigene Marktlücke finden. Dieser recht plötzliche Wechsel hat das Selbstvertrauen erschüttert. Eva Balint von der Zeitung Magyar Hirlap meint, daß nur etwa zweihundert Verlage die Krise überstehen werden.

Magveto überlebt mit der Strategie der attraktiven Präsentation einer kleinen Anzahl ausgewählter Titel. „In den sechziger Jahren waren Bücher hübsche kleine Extrageschenke, die man unter dem Weihnachtsbaum neben die Stereoanlage legte“, sagte Morscanyi. „Heutezutage sind sie selbst die Prestigeobjekte. In den achtziger Jahren gab es einen Boom amerikanischer Bestseller wie Robert Ludlum und Jackie Collins, alle mit bunten Titeln. Das erwarten die Leser auch heute.“

Erfolgreiche Übersetzungen – wie etwa von Jostein Gaader, Stephen King, Sigmund Freud und Erich Fromm – haben ungarischen Autoren nicht weitergeholfen. Selbst Peter Nadas, der vor allem in Deutschland sehr erfolgreich ist, kann in seinem Land keine höhere Auflage als 5.000 erwarten. Da Schriftsteller in Zukunft auch noch Steuererleichterungen verlieren werden, die es bisher für Schreiben, Herausgeben und für „kulturelle Aktivitäten“ überhaupt gab, suchen immer mehr eine Beschäftigung in den Medien und anderswo. Der Druck auf freie Autoren ist einfach zu groß geworden.

Für Magveto ist Sandor Tars „A mi utcank“ („Unsere Straße“) die beste literarische Neuerscheinung des Jahres: eine Sammlung tragikomischer Vignetten, die sich um zwei rivalisierende Dorfkneipenwirte ranken. Tar war früher Fabrikarbeiter und lebt heute in einem abgelegenen Dorf. Das Schreiben ist seine einzige Einkommensquelle, die bisher verkaufte Auflage hat jedoch nur knapp 1.300 Stück erreicht.

Tars absurder, pessimistischer Realismus ist ungewöhnlich. György Bence von der Universität Budapest findet, daß die jüngeren Autoren ansonsten eine Mischung aus 20er/30er-Jahre-Literatur und westlicher Postmoderne pflegen. „Ein unattraktiver Mischmasch“, urteilt er. Die Verleger sind auch nicht begeistert. Die neue Schreibe ist oft „zu schwierig, negativ und esoterisch“, sagt Morcsanyi, „so literarisch, daß sie unlesbar wird“.

Die neue Literatur ist also eher selbstbezogen und wird vom Publikum kaum beachtet. Auflagen sinken, und Verlage müssen schließen. Die Zeichen stehen auf Frustration und Zukunftsangst. „Es werden immer weniger und schlechtere Bücher von immer weniger Autoren und Verlagspersonal produziert“, sagt Istvan Bart, Cheflektor des Corvian-Verlages. „Hier endet die neugewonnene Autonomie des intellektuellen Lebens. Verleger werden nach Büchern, die zu veröffentlichen sich wirklich lohnen würde, gar nicht mehr suchen. Vielmehr suchen sie nach Büchern, für deren Veröffentlichung sie Sponsoren finden.“

Tschechische Bauchschmerzen

In der früheren Tschechoslowakei löste der Zusammenbruch des sozialistischen Regimes eine geradezu explosionsartige Buchlawine aus, die um so dramatischer schien, als sie in scharfem Kontrast zur Unterdrückung der vorangegangenen 20 Jahre stand. Die Rolle, die die Intellektuellen im Prager Frühlung von 1968 gespielt hatten, garantierte, daß sie in der Folge von den sowjetisch installierten Herren zur Räson gebracht wurden.

Schriftsteller und Künstler mußten körperliche Arbeit leisten, viele kamen ins Gefängnis, viele gingen ins Exil. Das kulturelle Leben wurde von einer politisch kastrierten Elite bestimmt und durch großzügige Zuschüsse in Watte gepackt, die den streng zensierten Texten eine größtmögliche Verbreitung sicherte. Abweichende Stimmen und Meinungen wurden in den Untergrund verbannt.

Als 1989 die Novemberrevolution kam, gab es 36 staatlich anerkannte Verlage. 1991 hatte sich ihre Zahl verhundertfacht. Zu Anfang erschienen die Arbeiten früherer Dissidenten in Auflagen von 100.000, ähnlich wie lange verbotene westliche Autoren wie George Orwell. Aber das Interesse an der ehemals oppositionellen tschechischen Intelligenzija schwand rasch, und eine Flut von Alistair MacLeans setzte ein. Viele Qualitätsverlage, kleine wie große, machten bankrott. In den letzten drei Jahren hat sich der Buchmarkt vollständig gewandelt. Selbsthilfebücher, Frauenratgeber und Astrologie sind der letzte Schrei.

„Die Menschen wollen wissen, wie man Erfolg haben und bei Laune bleiben kann. Die ,Ich bin okay, du bist okay‘-Bücher sind dran“, sagt Alexander Tomsky, der früher tschechische Literatur im Ausland, und das heißt vor allem für Emigranten, verlegt hat. Heute ist er Managing-Direktor des erfolgreichen Academia-Verlages. „Das gleiche gilt für Ungarn und Polen, alle schwimmen auf der gleichen Welle. Früher habe ich Sachen vom polnischen Markt geholt, der uns immer ein halbes Jahr voraus war. Ich wußte, daß Sachen, die sich in Polen gut verkauften, auch bei uns Erfolg haben würden. Der Unterschied zwischen den mitteleuropäischen Ländern ist jetzt verschwunden, was den Buchmarkt angeht.“

Kunstbücher, Gedichtbände und Sachbücher – alles, was nur kleine Auflagen erreicht – werden vom Kultusministerium bezuschußt. Die meisten Bücher dieser Art werden weit unter dem Preis verkauft, der ihren Verlegern eine adäquate Gewinnspanne einräumt, um auch die finanziell ausgehungerten Intellektuellen daran beteiligen zu können. Der Markt ist übersättigt, Produktions- und Vertriebskosten steigen stetig, und die Kaufkraft des Publikums sinkt ebenso stetig. Literatur, die vor 1989 in einer Auflage von 50.000 erschienen wäre, erreicht heute nicht mehr als 2.500. Das neueste Buch von Ivan Klima, dessen Bücher 1990 noch Auflagen von 100.000 erreichten, brachte es schon drei Jahre später nur noch auf 5.000.

„Philosophie und Gedichte sind noch schlechter dran“, sagt Tomsky achselzuckend. „Ich versuche meist, wenigstens 3.000 bis 5.000 zu drucken und halte sie am Lager. Mit der Inflation erhöhe ich dann entsprechend den Preis und nenne das die zweite Auflage. So trickse ich den Markt manchmal aus, das heißt, ich kann billigere Bücher anbieten, und sie verkaufen sich besser. Aber das ist nur eine Privatstrategie und funktioniert auch nicht immer. Manchmal habe ich das Problem damit einfach nur in mein Lager verschoben. Märkte, die von einer Zehn-Millionen-Bevölkerung ausgehen müssen wie der unsere, können kaum eine eigene Literatur erhalten – außer Bestsellern. Romane sind out. Aber Paul Johnsons ,Geschichte des 20. Jahrhunderts‘ verkaufte sich 33.000mal, und das ist ein dickes, teures Buch. Studenten verschlingen es geradezu, was kein Wunder ist, denn die Geschichte des 20. Jahrhunderts ist ohne uns abgelaufen. Wir waren ganz offiziell davon ausgeschlossen.“

Tomskys Einschätzungen der jüngeren Schriftstellergeneration sind eher negativ. „Der Kommunismus hat einen Abgrund hinterlassen zwischen den alten Meistern und den Jungen, die mit einer Nachrichtensprache aufgewachsen sind. Zwar sind die Jungen intelligent und begabt, gebildet sind sie nicht. Besonders nicht in Formfragen. Ihr Schreiben ist impulsiv, spontan, amorph und ohne Verhältnis zu Stil oder Form, meist sehr experimentell und häufig ohne jede Bedeutung.“

Der Dichter Miroslav Holub kommt zu einem ähnlichen Urteil und klagt, daß wenn damals pro Gedicht wenigstens ein Stachanow-Arbeiter vorkommen mußte, heute ein oder zwei Geschlechtsorgane eingestreut sein müssen. „Kultur hat ihre kommunikative Kraft verloren“, glaubt er. „Jeder zeigt seine innersten, dunkelsten Gefühle. Insofern reagiert man noch immer auf das alte Regime, in dem so etwas damals unaussprechbar war.“

Die selbstbezogen-düstere Welt des Individuums, die sich hier in der Literatur Bahn bricht, mischt sich mit der Disharmonie, die Tomsky in der Gesellschaft spürt: „Die mitteleuropäischen Gesellschaften sind atomisiert und aus dem Gleis geraten. Jeder versucht, mit zusammengebissenen Zähnen zu lächeln. Jeder kämpft isoliert ums Überleben, gegen den anderen und alles andere um ihn herum. Die Gesellschaft hat keine Anker mehr. Wie im Krieg. Ich glaube nicht, daß Literatur unter solchen Bedingungen gedeihen kann. Jeder Haushalt, jedes einzelne Individuum ist ännlich destabilisiert. Es gibt keine kohärente Öffentlichkeit mehr, an die man sich wenden kann.“

Polnische Betriebsamkeit

Unter dem Kommunismus hatte Polen ein relativ liberales Regime samt einer höchst einflußreichen und selbstbewußten Kirche, unter deren Schutz manche oppositionellen Aktivitäten, einschließlich verlegerische, möglich waren. Nach 1977 gab es nur noch wenige ernsthafte Versuche, das Netzwerk von Untergrundverlagen und -vertrieben zu stören, durch das viele Millionen Leser erreicht wurden. Ende der achtziger Jahre gab es in Polen drei Arten von Buchmarkt: den offiziellen, den inoffiziellen und „den dritten Kreislauf“, der aus nichtpolitischen Untergrundpublikationen bestand: Science-fiction, Krimis und Liebesromane, die auf bestimmten Basaren erhältlich waren, wo man nach politischer Literatur vergeblich gesucht hätte.

Als 1989 die Zensur abgeschafft wurde, kamen Hunderte von Untergrundverlagen an die Oberfläche und versuchten ihr Glück auf einem Markt von 30 Millionen potentiellen Lesern. Manche gingen schon nach dem ersten Buch pleite, andere machten ein Vermögen. Politikerbiographien wie die des ersten Parteisekretärs Edward Gierek oder General Jaruzelskis Pressesprecher Jerzy Urban erschienen in einer Auflage von fast einer Million, westliche Spionageromane wie die „Forsyte-Saga“ und andere früher verbotene Bücher brachten es auf mehrere hunderttausend. Buchpreise waren niedrig, und Übersetzer wurden glänzend bezahlt. Billige Liebes

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romane wurden, so das Gerücht, in Verkaufszahlen von zwei Millionen pro Monat verschlungen.

Innerhalb der ersten drei Jahre waren dann allerdings alle Westbestseller erschienen, und in einem zunehmend von Konkurrenz bestimmten Markt fielen die Verkaufszahlen. Das war vor allem auf dem kommerziell orientierten Buchmarkt der Fall, die Nachfrage nach anspruchsvollerer Literatur stieg dagegen an. Neue Literatur und Lyrik waren wieder gefragt. Die durchschnittliche Auflage von vorher etwa 100.000 schrumpfte auf ein Zehntel. Neue Literatur wird inzwischen in Auflagen von 2.000 bis 3.000 gedruckt, der Durchschnittspreis beträgt umgerechnet zwölf bis 15 Mark.

Beata Chmiel, Redakteurin der Literaturbeilage Ex Libris, ist guter Dinge. Ernsthaftes Lesen ist wieder en vogue, die vom sozialistischen Regime geförderten Schriftsteller sind verschwunden, die Jungen sind an die Arbeit gegangen. „Neue Schriftsteller verkaufen sich gut“, sagt sie, „aber die Literatur des politischen Widerstands ist tot, und die älteren Autoren hat man gewissermaßen um ihr intellektuelles Handwerkszeug gebracht. Wir sind mitten in einem Mentalitätskonflikt.“

Die Arbeiten von neuen Schriftstellern wie Manuela Gretkowska oder Andrzej Stasiuk mögen in Polen experimentell erscheinen, aber im Westen würden sie keine großen Wellen schlagen. Vielmehr sollen solche Texte die traditionelle polnische Perspektive attackieren, sowohl die katholische als auch die eher liberale der Intelligenzia. Im Politischen jedoch tendieren die meisten jungen Schriftsteller zum Konservativismus und betonen mehr die ewigen Werte als Liberalität und Toleranz.

„Die Generation von 68, die jetzt weit über vierzig ist, ist immer noch eher auf der Linken zu finden“, sagt Chmiel. „Die neue Rechte ist um die Zwanzig oder Dreißig. Das ist natürlich auch eine Art des Sich-unterscheiden-Wollens. Schließlich will keiner die vorhergehende Generation imitieren. Das sind Menschen der Post-Solidarność-Ära, die etwas gegen undefinierte Werte und obskure Projekte der Vergangenheit haben. Ihre Opposition ist nicht aggressiv, aber sie haben ihre eigene Meinung zu political correctness, Feminismus, Nationalismus und zur Kirche. Exzessive Kritik am Katholizismus geht ihnen auf die Nerven, und sie sehen keinerlei Notwendigkeit, sich für die von der katholischen Mehrheit in ihren Freiheiten eingeschränkten Minderheiten stark zu machen.“

Die homogenen politischen Sympathien der jungen Schriftsteller in Polen reflektieren eine starke Tendenz zur intellektuellen Uniformität, die in der Tat ein Charakteristikum der mitteleuropäischen Intelligenz ist und sich häufig durch Generation, Religion oder Politik definiert. Ein gewisses Zögern, sich in einen Dialog zu begeben und die Grenzen von Gruppenidentität oder gar kultureller Souveränität neu zu ziehen, ist ein allgemeiner Zug zentralosteuropäischer Gesellschaften.

Die zunehmende kulturelle Pluralität im Verlagswesen ist mit ihren Wellen von Marktbegeisterung und -traumata, die sich von einem zum anderen Land verbreiten, Beweis eines vitalen, wenn auch oft schmerzhaften Einflusses von offener Kommunikation und Kommerz. In einer Region, die weiterhin schwer um Lösungen für ihre Geschichte ringt, deren Fundamente stark geprägt sind von fluktuierenden Grenzen, Zwangsherrschaft und kultureller Fragmentierung, ist das sehr viel.

Irena Maryniak ist Spezialistin für Zentral- und Osteuropa bei Index on Censorship.