■ Die palästinensische Nationalcharta wird geändert
: Arafats Machtspiele

Die 20. Sitzungsperiode des Palästinensischen Nationalrats steht unter keinem guten Stern. Während im Libanon israelische Bomben und Raketen auf Palästinenser und Libanesen niedergehen, soll die PLO dem „Friedensprozeß zuliebe“, ihre Nationalcharta ändern. Was für die überwiegende Mehrheit der Delegierten ein rein formaler Schritt wäre, wird so zur politischen Demütigung. Die Stimmung ist auf dem Nullpunkt. Und an Arafats martialischen Sprüchen und überlebten Rhetorikkünsten mag niemand mehr sein palästinensisches Herz erwärmen.

Gleichwohl, die Verfassung wird geändert. Daß die PLO all jene Artikel aus ihrer Charta streicht, die Israel das Existenzrecht absprechen, den militärischen Kampf als strategisches Mittel zur Befreiung ganz Palästinas preisen und nur jenen Juden Bürgerrechte gewährt, die vor 1917 in Palästina lebten, ist längst überfällig. Und auch nach der eigenen PLO-Politik und den Beschlüssen des Nationalrats nur konsequent. Von Verrat heult in Gaza niemand. Selbst die Volksfront und die Demokratische Front widersetzen sich einer solchen Änderung nicht, auch wenn ihre Führer es ablehnen, nur von Israels Gnaden ins eigene Land einreisen zu dürfen.

Doch Arafat nutzt die Nationalratssitzung für ein Machtpoker. Daß er laut Autonomiestatut nur 20 Prozent der Minister selbst berufen kann, ärgert ihn. Zweimal hat er die Verkündigung der Kabinettsliste deshalb schon verschoben. Die Eile und Hast, mit der der jetzige Nationalrat einberufen wurde, deutet darauf hin, daß Arafat ein PLO-Exekutivkomitee nach eigenem Gutdünken aufstellen will. Der Nationalrat darf dann nur noch seine Zustimmung geben: Jasagen statt Demokratie. Das Exekutivkomitee als Gegengewicht zu einem allzu demokratisch gewählten Autonomiekabinett, das ist ganz nach Arafats Geschmack.

Daß sich die aufmüpfigen Demokraten im Nationalrat, die eine Abstimmung über jeden einzelnen Kandidaten erreichen wollen, schon dieses Mal durchsetzen werden, ist unwahrscheinlich. Im Exekutivkomitee der PLO werden wohl weiterhin abgehalfterte Apparatschiks zu Arafats Diensten stehen. Doch die Parole von der „palästinensischen Einheit“ ist überlebt. Demokratie verlangt Pluralismus und Kampfabstimmungen. Es sieht allerdings nicht so aus, als könnte Arafat sich auf seine alten Tage noch daran gewöhnen.

Georg Baltissen, z.Zt. Gaza