Vom Leben in der Todesfabrik

Der 28jährige Hidetoshi Takahashi veröffentlichte kürzlich das erste Buch eines Gewendeten: „Rückkehr von Aum“, und gibt einen differenzierten Einblick in das Sektenleben. Wie viele wurde Takahashi direkt von der Universität angeworben. „Warum bin ich? Was bin ich? Was bedeutet es, daß ich existiere? Das waren meine Fragen, auf die ich bei Aum nach Antwort suchte“, schreibt Takahashi. „Asahara antwortete darauf: Wer sich selbst findet, befreit sich von den Leiden des Alltags. Dafür aber muß man trainieren.“ Für den bisher völlig aufs Geistesleben beschränkten Takahashi erweist sich die Sekte nunmehr als Weg „vom Wort zur Tat“. Das anfangs nur wöchentliche Meditationstraining in der Gruppe macht Spaß. Er findet „eine Atmosphäre, die es woanders nicht gab.“

Takahashi wagt dann den Schritt in die Abgeschiedenheit der Aum-Kommune auf dem Land. Hier erwartet ihn eine „Aufnahmeprüfung“: Bäder in 74 Grad heißem Wasser. Manche Ankömmlinge sterben dabei. Statt Selbstrückzug, den Takahashi sucht, erwartet ihn in der Kommune ein anstrengendes Arbeitsleben: Die Sekte rüstet sich hier für die Massenproduktion des Giftgases Sarin und anderer bakteriologischer Massenvernichtungswaffen. Von diesen Plänen erfährt Takahashi nichts. Statt dessen muß er die „Minister“ und hohen Funktionäre als Chauffeur begleiten. „Wir lebten zwischen Ratten und Kakerlaken und suchten ständig nach Spionen. Das Reden untereinander war verboten. Man sah Menschen, die verrückt wurden“, erinnert sich Takahashi. Als ihm schließlich schwant, welche Verbrechen die Sekte begeht, fehlt dem Aussteiger der Mut: „Asahara gab damals die Formel aus, daß Töten legitim ist, wenn es den Seelenzustand des Betroffenen verbessert.“