Weiter so – aber wohin?

■ Die SPD ist vor der PDS noch mal zurückgeschreckt

Die Große Koalition in Schwerin ist keineswegs gerettet, sie steht weiter am Abgrund. CDU und SPD hatten nicht den Mut, ihr Bündnis zu beenden, sie haben aber auch keine rechte Vorstellung davon, wie es weitergehen soll. Also machen sie das, was sie derzeit am besten können: Sie machen weiter.

„Immerhin lebt die Koalition noch“, meinte ein SPD-Sprecher gestern ganz überrascht. Eben: Noch lebt die Koalition. Immerhin. So ganz einfach war das nach den Querelen und Ultimaten nicht hinzukriegen. „Es ist unmöglich, ein Land in einer Konstellation wie der jetzigen weiter zu regieren“, hatte der SPD-Vorsitzende Harald Ringstorff am Freitag noch erklärt. Nach der gestrigen Erklärung von CDU und SPD, daß eine Fortführung ihrer Koalition wünschenswert sei, wirft dieser Satz Fragen auf: Ist es nun wieder möglich, Mecklenburg-Vorpommern in einer Konstellation wie der jetzigen zu regieren? Oder war das von Ringstorff nicht so ernst gemeint? Die vermutlichen Antworten: Es ist jetzt genauso unmöglich oder möglich wie vorher. Und: Ringstorff hat das sehr ernst gemeint.

In den letzten Tagen ist immer wieder psychologisiert worden, Ringstorff gehe es nur um die Macht, er sei geradezu besessen davon, als erster mit der PDS zu regieren. Vielleicht spielt das eine Rolle, aber vor allem bewegt Ringstorff das strategische Dilemma, in dem sich seine Partei (und im übrigen auch die CDU) in Mecklenburg-Vorpommern befindet: Am Verhältnis zur PDS hängen die machtstrategischen Optionen der SPD. Will sie sich mit der PDS nicht einlassen, gibt es zu einer Großen Koalition und damit zu einer Politik, die in vielen Bereichen zu Lasten der SPD geht, keine Alternative.

Ringstorff will sich aus diesem Dilemma befreien. Also muß er sich von der PDS entweder tolerieren lassen oder mit ihr koalieren. Früher oder später wird das die SPD auch tun. Jetzt ist sie noch einmal davor zurückgeschreckt. In der schwachen Position, in der sie sich auch durch ihre Drohgebärden befindet, hat sie sich eine so gewichtige Entscheidung – die Neubestimmung ihres Verhältnisses zur PDS – nicht zugetraut. Fast hatte man den Eindruck, der SPD wäre es recht gewesen, wenn die CDU die Koalition beendet und ihr die Entscheidung abgenommen hätte. Aber die muß die SPD schon selbst fällen. Jens König