Die Bank läßt den Senat zappeln

Trotz steigenden Gewinns für 1995 friert die Bankgesellschaft Berlin ihre Dividende ein. Das mächtige Geldinstitut entscheidet unter anderem, wie viele Freibäder geöffnet werden können  ■ Von Hannes Koch

Taschkent gehört nicht zu den Orten auf dieser Welt, wo die großen Geschäfte abgewickelt werden. Trotzdem hat die Bankgesellschaft Berlin tief in der asiatischen Provinz, in der Hauptstadt der ex- sowjetischen Republik Usbekistan, einen Statthalter plaziert. Das Land habe gute Chancen, sich zu einem „langfristig attraktiven Partner der deutschen Wirtschaft“ hochzuarbeiten, schwärmen die Manager von der Spree. Mit der Baumwolle, die wegen ihres riesigen Wasserverbrauchs den Aralsee austrocknen läßt, könne man später lukrative Exportgeschäfte abwickeln. Außerdem gebe es Erdöl und Gold in rauhen Mengen – Profite locken, die man sich in diesen Kreisen nur ungern entgehen läßt.

Die Bankgesellschaft Berlin ist aus der Regionalliga in die oberste Klasse der deutschen Banken aufgestiegen. Zweieinhalb Jahre nach ihrer vom Senat initiierten Gründung hat sie sich mittlerweile zum sechsgrößten privaten Finanzinstitut der Bundesrepublik gemausert (Zahlen und Kurzinfos siehe Kasten). Man unterhält weltweit 27 Vertretungen, um Geschäfte von deutschen Unternehmen anzubahnen und an den internationalen Finanzplätzen billiges Geld zur Finanzierung hiesiger Projekte zu besorgen.

Heute nun stellt die Bankgesellschaft ihre Bilanz für 1995 vor. Trotz großer Geheimniskrämerei sickerten die wichtigsten Daten wie üblich vorher durch: Der Gewinn der Bankgesellschaft hat sich im Vergleich zu 1994 erheblich erhöht. Bereits das Betriebsergebnis lag – nach Abzug der Risikovorsorge für etwaige Verluste – mit satten 958 Millionen Mark um 18 Prozent über dem vorangegangenen Jahresabschluß.

So gesehen ging die Rechnung des Senats bisher auf: Der „Finanzplatz Berlin“ wurde gestärkt, die Bank floriert, und mehr Kapital strömt in die Hauptstadt. Andererseits emanzipiert sich der Geldgigant zunehmend von den Wünschen seines Erzeugers. „Wir sind sauer“, heißt es im Hause von Berlins Finanzssenatorin Annette Fugmann-Heesing. Hatte Berlins Hauptstadtkassiererin doch gehofft, bei wachsendem Gewinn auch eine höhere Dividende von der Bank verbuchen zu können. Schließlich hält das Land Berlin 56,8 Prozent der Aktien an der Bankgesellschaft Berlin.

Doch Fugmann-Heesing wurde enttäuscht. Unter der Leitung von Edzard Reuter, dem gescheiterten Chef des Daimler-Konzerns, beschloß der Aufsichtsrat, die Bankdividende auf dem Stand von 1994 einzufrieren. Auch für 1995 werden 11 Mark pro Aktie gezahlt, das Land Berlin erhält unverändert rund 136 Millionen.

Die Bedeutung dieser Entscheidung ist enorm: Eine Mark mehr Dividende pro Anteilsschein hätten 12 Millionen Mark zusätzliche Einnahmen in den leeren Staatskassen bedeutet. Aus 136 Millionen Mark hätten leicht 160 oder 180 Millionen werden können. Indem sie die Taschen öffnet oder zuhält, entscheidet die Bankgesellschaft letztlich darüber, wie viele Freibäder in Berlin geöffnet werden und wie viele Schulen ihre Dächer reparieren lassen können.

Nicht nur mittels der Ausschüttung einer Dividende, sondern auch durch seine Steuerzahlungen steht es in der Macht des profitablen Unternehmens, die Finanzmisere des Landes entweder zu lindern oder zu verstärken. Die Bank gehört zu den größten Steuerzahlern der verschuldeten Hauptstadt, 1994 flossen 235 Millionen Mark in die staatlichen Kassen. Diese Überweisungen könnten höher ausfallen, wenn sich die Banker nicht manch teure Fehlentscheidung leisteten. „Während Privatkunden von vorn bis hinten durchgecheckt werden, vergibt man Kredite an Baulöwen sehr schnell“, kritisiert die bündnisgrüne Finanzexpertin Michaele Schreyer. So finanzierten die Berliner Geldinstitute den mittlerweile bankrotten Immobilienspekulaten Jürgen Schneider mit 300 Millionen Mark. Durch die Schneider-Pleite mußten sie schließlich rund 70 Millionen als möglichen Verlust in der Bilanz verbuchen. Diese Miesen kann die Bank natürlich von der Steuer absetzen – das Land Berlin bekommt weniger Einnahmen.

Ähnlich lief es bei der spektakulären Pleite des Sportbodenherstellers Balsam. Und durch den Konkurs des österreichischen Baukonzerns Maculan in diesem Jahr sind Kredite von „rund 60 Millionen im Feuer“, wie Bankvorstand Wolfgang Steinriede sagt. Ein guter Teil davon dürfte futsch sein. Das mit derartigen Geschäften zusammenhängende Risiko wird in Zukunft noch steigen, weil die Bankgesellschaft sich zunehmend im Immobilieninvestment engagiert.

Der Senat braucht Geld, die Bankgesellschaft hat welches. So sind die Machtverhältnisse eindeutig geregelt, selbst wenn die Holding sich in die politische Linie der Regierung einbinden läßt. Die Banker sitzen am längeren Hebel und verlangen standesgemäße Bezahlung. Beispiel Bewag: Möglicherweise wird der Geldgigant im Senatsauftrag den umstrittenen Verkauf von 25 Prozent der Anteile des zur Zeit noch mehrheitlich landeseigenen Energieversorgers organisieren. Ziel ist es, den Berliner Haushalt mit rund einer Milliarde Mark zu entlasten.

Kommt es zu diesem Geschäft, müßte der Senat bluten: Eine an die Bank zu zahlende Gebühr von ungefähr 60 Millionen Mark ist im Gespräch. Auch beim ökonomisch zweifelhaften, aber milliardenteuren Ausbau des Messegeländes am Funkturm, den die Bank vorfinanziert, verdient sie kräftig mit.

Einem Tritt vors Schienbein des Senats kommt die Ankündigung der Bankgesellschaft gleich, in Zeiten grassierender Arbeitslosigkeit ihr Personal drastisch zu verringern. Von den insgesamt 16.780 Jobs stehen 1.900 auf der Abschußliste, davon allein 840 bei der Berliner Bank. Die Dienstleistungsmetropole Berlin, die mit einem Zuwachs von Bürojobs den Zusammenbruch der Industrie ausgleichen soll, läßt auf sich warten.