TV-Versandhandel

■ Veranstaltung für statusunsichere Kunden: Home Order Television, das permantene Programm als Konsumanreiz

Die Schauspielerin Christine Kaufmann hat sich Gedanken über das Schlafen gemacht. Alles eine Frage mentaler Vorbereitung. Eine halbe Stunde, sagt sie während des Talkshowgesprächs in eigener Sache, sollte man vor dem Zubettgehen schon aufbringen. Schwere Speisen und Alkoholgenuß beeinträchtigen dabei den gesunden Schlaf ebenso wie „verwirrende Dinge im Fernsehen“. Frau Kaufmann weiß, daß vor allem letzterem nicht immer auszuweichen ist, deshalb hat sie ein Schönheitskissen entwickelt, das sie gern weiterempfiehlt. Actor's little helper auf Naturbasis.

Was aussieht wie ein textiler Rettungsring, läßt die Schauspielerin eigens in Tanger, Marokko, mit einem Stoff namens Kotton afrikan beziehen. Das Kissen aus der Kreation Kaufmann soll das „Schrumpelige am Dekolleté“ bekämpfen. Wer gleichzeitig das allmorgendliche Knittergesicht besiegen will, darf die Bestellung bei Home Order Television (H.O.T.) nun nicht länger aufschieben. Jeder Tag zählt. Die Telefone sind gottlob rund um die Uhr frei geschaltet, und bereits nach drei Tagen kann man seine Falten in das Kaufmannsche Schönheitskissen drücken. Für die Einhaltung der kurzen Lieferfrist verbürgen sich der Quelle-Versand und der Fernsehsender Pro 7, deren gemeinsames Baby der deutsche Teleshopping-Kanal ist.

Unterdessen treffen wir bei H.O.T. Heike Makatsch im „Fun + Action“-Laden an, wo sie Wissenswertes über schicke Ellenbogen- und Knieschützer zu erzählen weiß. Der Renner ihrer Sammlung sind Inline-Skater mit Heckeinstieg und fein regulierbarer Rasterschnalle. Zur Anschauung läßt Heike ein paar Könner des Fachs via Musikvideo durch die Halfpipe flitzen. Aber während Christine Kaufmann auch wirklich Christine Kaufmann ist, ist Heike Makatsch nicht Heike Makatsch, sondern nur eine, die ihr ähnlich sein will. Das Teleshopping setzt nämlich auf multiple Affinitäten. Der Moderator der internationalen Weinprobe („Special: Welt der Weine“) mit zwei Weinherstellern sieht aus wie Harry Wijnfurth („Der Preis ist heiß“), und die Schmuckpräsentation aus dem Magazin „Diamonds forever“ hat eindeutig was Bärbel-Schäfer-haftes. Hinreißend holprig kann sie ein Monroe-Bonmot aufsagen, demnach die Klunkern auch dann noch bleiben, wenn die Kerle schon verschwunden längst sind.

Das Werbefernsehen der frühen Tage orientierte sich gern an den Seriositätsmustern des Berufslebens. Ärzte rieten zur richtigen Paste, und Kosmetikerin Tilly tunkte die zarten Pfötchen ihrer mondänen Kundinnen doch wahrhaftig in Spülmittel. Die Aufstiegsgesellschaft hatte das schöne Leben im Visier, ohne Fleiß- und Häuslichkeit gänzlich hinter sich zu lassen. Im Werbefernsehen sah es noch aus wie im richtigen Leben.

Das Teleshopping unserer Tage hingegen hat es darauf abgesehen, richtigem Fernsehen ähnlich zu sein. Geklonte Moderatoren bewegen sich in Studioeinrichtungen, die den Studios der Morgen-, Mittags- und Abendmagazine eins zu eins nachgebaut zu sein scheinen, und erst auf den zweiten Blick sieht man die angestammten Verkaufsorte der jeweiligen Ware angedeutet. Dem Mann im H.O.T.-Reisebüro würden wir denn auch ohne weiteres die Moderation des ARD-Boulevardmagazins „Brisant“ zutrauen, während eine Maren-Gilzer-Ausgabe den Aufstieg von der Buchstabenumdreherin beim „Glücksrad“ zur Moderatorin der Schmuckabteilung geschafft hat.

Im H.O.T.-Shop wird allerdings eher mindere Ware feilgeboten. Für die Schmuckbranche dürfte Teleshopping ein Versuch sein, die junge Noch-nicht-Schmuckträgerin in die Welt der Ringe und Kolliers einzuführen, während man im „Fanshop“ auf den Taschengeld beziehenden Fußballfan baut. Der Versandhandel war schon immer eine Veranstaltung für statusunsichere Kunden. Bei den Reiseangeboten, muß der freiberufliche Autor allerdings gestehen, war er selbst kurz versucht, zum Telefonhörer zu greifen. Die Informationen zur Pauschalreise nach Gran Canaria sind auch nicht dürftiger als im TUI-Katalog. Das telefonische Sofortbuchen scheitert freilich daran, daß unsereiner, längst bereit, pauschalen Urlaubsfreuden nachzugehen, noch immer kein Telefon am Bett hat, wo nun einmal der Fernseher postiert ist. Harry Nutt