Durchs Dröhnland: Kaurismäki am Keyboard
■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche
Was einmal neu war, ist heute nur mehr erstarrt. An Sonic Youth macht sich oft die Kritik fest, die New Yorker Noise Szene sei nur mehr wertebewahrend. Tatsächlich tut sich aber auch der Nachwuchs schwer, aus den eingefahrenen Gleisen auszubrechen. Spongehead geht es da nicht anders, wenn sie auf einem zuckenden Untergrund aus Funkbässen und Stotterschlagzeug die Gitarre hüpfen lassen. Das Trio ist jederzeit überraschend, manchmal sogar aufregend, aber irgendwo mag dieses pulsierende Etwas nicht zünden, läßt einen die Wut in akademischer Form kalt.
Heute, 26. 4., Huxley's Junior, Hasenheide 108, Neukölln
Ziguri sind die Musikabteilung des Berliner Theaterprojektes Ziguri Ego Zoo. Benannt haben sie sich nach dem indianischen Namen für den Peyote-Kaktus ihrer Heimat Mexiko. Von diesen beiden Bezugspunkten aus kann man sich ungefähr eine Vorstellung ihrer Musik machen, scheinen sie doch mal den einen oder anderen Western von John Ford vertonen und dann wieder die Hintergrundmusik für eine New- Age-Messe abliefern zu wollen.
Heute, 26. 4., 23 Uhr, Eimer, Rosenthaler Straße 68, Mitte
Irgendwie kriegen es 22-Pistepirkko immer wieder hin, saumäßig modern zu klingen. Im Gegensatz zu ihren sonstigen skandinavischen Kollegen, die allerdings fast prinzipiell altmodisch klingen wollen. Die Drei vom Polarkreis haben sich Blues vorgenommen, aber diesmal ist es der Rock'n'Roll aus den 50ern. Den peppen sie auf mit obskuren Keyboards, brechen die Regeln, wo es ihnen paßt, und haben überhaupt eine klasse Platte gemacht. Sollte der neue Kaurismäki mies sein, haben wir immer noch diese Finnen.
Heute, 22 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg
Eine Alternative zum meist doch recht betulichen und retrospektiv veranlagten deutschen Ska sind Rantanplan. Benannt haben sie sich zwar nach dem faulen Hund aus den Lucky-Luke- Comics, aber ihre Musik hat eher zuviel Energie, so daß der typische Ska-Groove verlorengeht. Doch die Bläsersätze und die Hardcore-Ausflüge der Hamburger machen einiges wett.
Morgen, 27. 4., 22 Uhr, Schoko- Laden, Ackerstraße 169, Mitte
Was einmal ein schmaler Grat zwischen Rock und Hardcore war, ist inzwischen ein ausgelatschter Trampelpfad. Aber bei Sweet Diesel hört er sich dann doch plötzlich wieder wie eine Erstbesteigung an, wenn sie sich mit voller Absicht einen abquälen, weil es ums Quälen geht. Die Stimmbänder, die Gitarrensaiten, die Trommelfelle, alles möchte einem leid tun. Aktivistenorden für die vier New Yorker! Aus derselben Stadt stammen Tub, die aber eher den konventionellen New Yorker Hardcore pflegen, der sich an den Rock'n'Roll-Wurzeln orientiert und bei weitem nicht so düster ist. Statt dessen klingeln die Gitarren wie Alarmglocken, macht der Sänger die Feuersirene, und gibt es sogar mal hübsche Melodien.
Mit Fur, morgen, 27. 4., Thommy- Weißbecker-Haus, 21 Uhr, Wilhelmstraße 9, Kreuzberg
Mit seinem gewaltigen Cowboyhut mag er zwar nicht so aussehen, aber Steve Westfield kommt aus Boston und pflegte mit den dort ansässigen Buffalo Tom, Sebadoh beziehungsweise Dinosaur Jr. abzuhängen (ferngeguckt, wa?), die ihn nun teilweise tatkräftig unterstützen. Inmitten des strammen Ami-Gitarrenuntergrundes gibt er nun den angegammelten Loner, der sich in seinen schimmelverdächtigen Balladen („Love Hasn't Found me yet“) als Innovator stilisiert und Posaune und Trompete in sein Country-Asservat einbaut.
Morgen, 27. 4., 21 Uhr, Huxleys Junior
Das Beste an den Fleshtones waren immer ihre Live-Platten, respektive die gewaltigen, tobenden Parties, die sie Auftritte nannten. Auch mit der neuesten Studioplatte und Steve Albini als Produzenten bestätigen sie nur wieder das alte Vorurteil, daß ihr Rhythm & Blues als Konserve nicht so recht funktionieren mag. Dabei geben sie sich alle Mühe, gute Laune zu verbreiten. Ihr Garagenrock hat zwar auch nach ungefähr 15 Jahren noch souveräne Eleganz, aber leider setzen sie die Bläser viel zu selten ein. Und die grandiosen Momente kommen immer dann, wenn der Schweiß das Blech hinunterläuft.
So., 28. 4., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg
Das Beste, was deutscher HipHop zwischen Kalauer und Tiefgang momentan zu bieten hat. „Fett zu sein bedarf es wenig, und wer fett ist, hört den König.“ Gemeint ist natürlich König Boris, einer der Rapper von Fettes Brot, der wie der ganze flotte Dreier nicht vor der Beugung geheiligter Syntaxregeln zurückschreckt, Hauptsache, es groovt. Und das tut es bei den Hamburgern, nicht nur in ihrem plattdeutschen Hit „Nordisch By Nature“. Ihre Beats sind manchmal härter, meistens lieblich und rollen dahin, als wäre das so einfach. Fett eben.
So., 28.4., 20 Uhr, Huxley's
Wer glaubt, daß er eine dreifache Dröhnung Hardcore schon am frühen Abend nötig hat, weiß, wo er am Sonntag landet. Bedrohlich rumpeln S.F.A., und manchmal scheint es, als bleibe die Zeit still stehen, immer dann, wie sie noch mal ein Eckchen schneller spielen wollen. Mit Verschnaufpausen haben Cause For Alarm nun gar nichts am Hut, und Warzone lassen den guten alten Oi!- Punk noch mal eine gute Zeit haben. Männerchöre allüberall, sich überschlagende Leiber, Bier in Strömen. Es gibt eben verschiedene Vorstellungen davon, wie man einen netten Abend verbringt.
So., 28. 4., 17 Uhr (!), Trash, Oranienstraße 40/41, Kreuzberg
Der Versuch ihrer Plattenfirma, Annette Berr zur neuen Hildegard Knef aufzubauen, ist ja recht böse danebengegangen, weshalb die überzeugte Kreuzbergerin nach einer Platte, die versuchte modisch und modern zu klingen, nun tatsächlich eher wieder zum Chansonhaften zurückgekehrt ist. Man beschränkt sich auf wenige Klänge, elegische Breite und verschwörerische Texte, und das ist gut so.
So., 28. 4., 22 Uhr, Franz, Schönhauser Allee 36, Prenzlauer Berg
Weil Weiße keinen Soul richtig spielen können, haben sie das Saufen erfunden. Oder halt Musik wie Gallon Drunk, deren Name deshalb auch so gut paßt, auch wenn sie kaum noch Blues spielen. Eher hat sich Obergallone James Johnston nach Quasiauflösung der Band und völligem Personalwechsel Nick Cave etwas angenähert, bei dessen Bad Seeds er sich eine Zeitlang die Leberwurst verdiente. Den mittleren Cave wohlgemerkt, aber Johnston entwickelt in seinen hypnotisch rotierenden Songs inzwischen die Crooner-Qualitäten des Älteren.
Mit Dirty Three, Mo., 29. 4., 21 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg
Immer noch der alte Oberlehrer, aber plötzlich scheint Heinz Rudolf Kunze doch tatsächlich den Anschluß an das geschafft zu haben, was man Popmusik nennen könnte. Das daddelt doch recht flott dahin, zum einen Ohr rein ... Ihr wißt schon. Zwar nicht mehr ganz so peinlich wie zu „Dein ist mein ganzes Herz“-Zeiten, aber ob der gute H.R. das wirklich so wollte? Da hört doch keiner mehr richtig auf die Texte! Jedenfalls die nicht, die eine gewisse unerklärliche Schwäche für ihn entwickelt haben, seit er vor mehr als 15 Jahren karg und spartanisch, klug, aber auch ein wenig altklug daherlamentierte. Aber diesen schrecklichen Schnurrbart hatte er, wenn ich mich recht erinnere, schon damals.
Mi. und Do., 1. und 2. 5., Tempodrom, In den Zelten, Tiergarten Thomas Winkler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen