■ Walpurgisnacht am Kollwitzplatz
: Alternative Ordnung

Beinahe scheinen sie vergessen: Die Wasserwerfer und Tränengasgranaten, die vergangenes Jahr gegen die Walpurgisfeiernden am Kollwitzplatz eingesetzt wurden. Kaum einer zweifelte damals daran, daß für die Eskalation und die anschließenden Straßenschlachten vor allem die Polizei verantwortlich war.

Um so merkwürdiger mutet nun eine „Sicherheitspartnerschaft“ an, in der die Polizei als Garant für eine „friedliche“ Feier verstanden, in der jeder Festbesucher dagegen als potentielles Sicherheitsrisiko begriffen wird. Was von der Initiative Walpurgis da als „Deeskalation“ gepriesen wird, ist im Grunde nichts anderes als ein rühriger Versuch, möglichst alles – inklusive behördlich genehmigter Feuer – zu unternehmen, um Auseinandersetzungen in diesem Jahr zu verhindern. Dabei übersieht die Initiative jedoch, wie sie als „alternative Ordnungsmacht“ funktionalisiert wird. Greift die Polizei durch, wird dies später immer „in Übereinstimmung“ mit dem Ordnungsdienst der Veranstalter geschehen sein. Die Polizei ist dann fein raus und die Initative um eine Erfahrung reicher.

Weitaus mehr als diese Naivität wiegt freilich der Umstand, wie das „Deeskalationsprogramm“ durchgesetzt werden soll. Polizisten in Zivil und ohne Armbinden, die ihre gekennzeichneten Kollegen abschirmen, hat es in Prenzlauer Berg zuletzt im Oktober 1989 gegeben, als Stasi und Volkspolizei gegen die Demonstranten an der Gethsemanekirche vorgingen. Gerade deshalb hätten die Veranstalter gut daran getan, an Stelle eines mißverständlichen Polizei- und Ordnungskonzepts der Walpurgisnacht jenen Charakter zu lassen, den sie fünf Jahre lang hatte: spontan, lebendig und ohne Polizei auch gewaltfrei. Uwe Rada

Siehe Bericht Seite 22