Kosovo-Albaner mucken gegen Serbien auf

■ Tote und Verletzte bei tagelangen Protestaktionen. Belgrad schließt die Grenzen

Wien (taz) – Fünf Tote und unzählige Verletzte sind die blutige Bilanz gewaltsamer Ausschreitungen zwischen Albanern und Serben, die seit Sonntag die mehrheitlich albanisch bewohnte Provinz Kosovo im Süden Serbiens erschüttern. Auch gestern blieben in den meisten Orten der Region Schulen und Geschäfte geschlossen und in den Straßen der Großstädte patrouillierten starke serbische Polizei- und Militäreinheiten. Unbestätigten Berichten zufolge sind die Überlandstraßen und die Grenzübergänge nach Albanien und Makedonien gesperrt, der Zug- und Fernbusverkehr eingestellt.

Anlaß zu den Unruhen war der Mord an dem zwanzigjährigen Medizinstudenten Armend Daci, der am Sonntag in der Provinzhauptstadt Pristina auf offener Straße von einem serbischen Nationalisten ermordet wurde. Während die offiziellen Stellen den Vorfall als eine private Abrechnung zweier verfeindeter Familien hinstellen, sprechen albanische Oppositionspolitiker von einer gezielten Provokation Belgrads, die Konflikte zwischen Albanern und Serben neu zu schüren. Wenige Stunden später kam es in mehreren Ortschaften der Kosovo-Region zu spontanen Kundgebungen tausender aufgebrachter Albaner. Die Polizei reagierte mit äußerster Härte – an die hundert Demonstranten sollen Verletzungen erlitten haben.

Weshalb radikale Albaner in den kommenden Nächten mehrere Polizeistreifen mit Maschinengewehren angriffen und anscheinend auch eine Polizeiwache in Brand steckten, war bis gestern weiter undurchsichtig. Denn zwei Millionen Albaner leben im Süden Serbiens schon seit 1981 unter einem Ausnahmezustand. So ließen in den vergangenen zehn Jahren bei Demonstrationen gegen die serbische Staatsmacht hunderte Albaner ihr Leben, verschwanden tausende Jugendliche in Gefängnissen, verloren zehntausende aus politischen Gründen ihren Arbeitsplatz. Doch der Höhepunkt der Repression war Ende 1989 und damals vermuteten die meisten politischen Beobachter, daß im Kosovo die Lunte zum jugoslawischen Erbfolgekrieg gelegt werde. Als jedoch das Töten in Kroatien und Bosnien begann, geriet Kosovo aus den Schlagzeilen. Serbische Nationalisten wie der Freischärlerführer Vojislav Seselj forderten jedoch schon damals, neben der „Nordfront“ in der kroatischen Krajina auch eine „Südfront“ im Kosovo zu eröffnen. Andererseits mehrten sich unter radikalen Albanern die Stimmen, die einen Anschluß des Kosovo an Albanien forderten.

Eine Untergrundbewegung unter dem Namen „Befreiungsarmee Kosovo“ unter dem Kommando des ehemaligen politischen Häftlings Sejdi Veseli behauptet seit kurzem, sich für einen bewaffneten Kampf gegen Belgrad zu rüsten. Als Rechtfertigung führt Veseli an: Mit dem Zusammenbruch des jugoslawischen Vielvölkerstaates sei auch der Anspruch Serbiens erloschen, die ehemals autonome jugoslawische Region Kosovo für sich zu beanspruchen. Karl Gersuny