Normal im Trend

■ Model-Agentur sucht schräge Vögel, verrückte Hühner und Normalos für Werbespots Von Sonja Schmitt

Schon mal davon geträumt, Model zu sein? Bierbauch? Glatze? Kein Problem, es gibt andere Qualitäten, die in der Branche des schönen Scheins gebraucht werden. Denn woher sollen sie kommen, die ganz normalen Models für die Waschmittel- oder Erdnuß-Spots, mit denen wir uns so gut identifizieren können sollen.

Die Modelagentur People&Friends in Hamburg spezialisierte sich 1994 auf Charakterköpfe. In der Kartei von Klaus Rasche finden sich Frauen und Männer, Kleinwüchsige und Riesen, Dicke, Glatzköpfe und schrille Alte. Die Werbebranche sucht händeringend Menschen, die sich vor der Kamera bewegen können, wie Otto-Normal-Verbraucher oder Lieschen Müller aussehen und trotzdem das gewisse Extra haben. Wer will schon eine Claudia Schiffer, bei der nicht mehr klar ist, ob sie für Lagerfeld oder Lagerfeld für sie wirbt?

Vorbild war die Agentur UGLY in London, die sich vor 25 Jahren auf häßliche, aber ausdrucksstarke Gesichter verlegte. People & Friends ist die einzige Modelagentur dieser Art in Deutschland. Mittlerweile hat Rasche 600 Models unter Vertrag, im Monat werden etwa 300 Foto- und Filmtermine vermittelt. Emmi H., 89, beispielsweise wirbt für Kekse. Rolf G., 64, Renke S., 53, und Gerhard D., 68, sind dem Kinopublikum als störrische Ostfriesen bekannt, die – unter der Regie von Detlev Buck – den dummen Binnenländlern mit einem Flens in der Hand begegnen. Susann P. (25) ist noch Anfängerin in der Branche. Ihre Markenzeichen: Glatze und Skifahren. Als Neuling kann sie pro Fototermin mit 300 bis 400 Mark rechnen. Bei bekannteren Models bewegen sich die Summen auch mal im fünfstelligen Bereich. Rüdiger B., 55, ist solch ein Topmodel und macht als Handwerker, Cowboy oder Geschäftsmann eine gute Figur. Speziell Frauen in den dreißigern, groß, attraktiv und gern etwas dicker, werden noch gesucht. So innovativ wie sich die bundesdeutsche Werbeszene gerne gibt, ist sie eben doch nicht. In der Regel beauftragen Unternehmen eine Casting-Firma, die sich auf der Straße nach geeigneten Models umschaut. So ist auch der ehemalige Verkaufsleiter Rasche zur Branche gekommen. Neun Jahre hat er nebenberuflich für Rasierer und andere Produkte geworben. Aus eigener Erfahrung legt er Wert darauf, daß die Models anständig bezahlt werden. „Früher habe ich nur ein Viertel dessen verdient, was ein professionelles Model bekam – trotz meiner jahrelangen Erfahrung“, erinnert sich der 37jährige düster.

Vor zu vielen Jobs warnt er seine Models eher: „Wichtig ist, daß wir für sie Aufträge arrangieren, die einerseits Geld bringen und sie andererseits nicht zu schnell für das Werbegeschäft verschleißen.“ Denn wer zum Maskottchen einer einzigen Marke wird, hat für andere Produkte ausgedient.

People&Friends % 040-341585