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Bilder im Widerstand

■ Zu Gast in Hamburg: der Leiter der algerischen Kinemathek

„Das algerische Kino ist nicht tot“, sagt BoudjemÛa Kareche und markiert damit den Widerstand, den Cineasten seit vier Jahren erfolgreich gegen religiöse Anfeindungen und wirtschaftliche Repressionen leisten. „Früher, als es uns noch gut ging, haben wir zwei Filme im Jahr produziert“, erzählt der Gast aus Algier. „Jetzt, wo die Situation sehr viel schwieriger geworden ist, und die Filmemacher Kooperativen und Produktionsgesellschaften gegründet haben, machen wir sogar drei Filme im Jahr.“

BoudjemÛa Kareche weilt seit einer Woche in Hamburg, um als Leiter der algerischen Kinemathek die exquisite Filmreihe der Zerbrochenen Träume zu begleiten, die im Metropolis noch bis morgen läuft. Und wie es sich für einen Cine-Freak gehört, lockt ihn auch der Michel nicht aus der schummrigen Wärme des Kinobauchs. Das Kino ist Kareches Leidenschaft, es ist das, worüber er am liebsten spricht, und trotz Zwischenhochs ist seine Situation in Algerien, das seit Jahren unter der Inflation leidet, alles andere als einfach: Die Produktions- kosten sind beinahe unerschwinglich geworden, und ein internationaler Vertrieb findet kaum noch statt. „Wenn wir jetzt Filme aus dem Ausland importieren, vor allem aus den westlichen Ländern, liegen die Preise einfach zu hoch für uns.“ Behinderungen und Anschläge bei den Dreharbeiten durch radikal-islamische Gruppen tun ein übriges, die algerische Kinokultur zu gefährden.

Doch allen Anfeindungen und Schwierigkeiten zum Trotz: Seit sich das politische Klima nach den Präsidentschaftswahlen im letzten Jahr ein wenig entspannt hat, zeichnen sich neue Impulse für das Kino ab. „Seit einem Jahr gibt es ein Institut für dramatische Kunst, das Filmkritiker und Theaterregisseure ausbildet,“ erzählt Kareche. Auch auf dem Kinosektor tut sich etwas: Nachdem alle 400 Lichtspielhäuser vor zehn Jahren privatisiert und vielfach in „Video-Clubs“ umgewandelt worden sind, haben nun einzelne Gemeinden der Kinemathek 20 Säle überschrieben. „Wir nennen sie Repertoire-Räume und haben vor, jeden Tag Filme aus der ganzen Welt zu zeigen“, sagt Kareche und verweist auf ältere Schlöndorff- und Werner Herzog-Kollektionen, die die algerische Kinemathek besitzt.

Doch hier lauern sie wieder, die eklatanten Geldsorgen und Enttäuschungen, die Kareche in seiner 20jährigen Arbeit als Leiter der Kinemathek gesammelt hat. So fehlen Mittel und Möglichkeiten, abgenutzte Kopien zu ersetzen oder Filmemacher einzuladen. Und noch immer wartet Kareche darauf, daß Frankreich das algerische Kino ernstnimmt und zeigt – seit der Unabhängigkeit 1962 sind gerade mal vier Produktionen gekauft worden. Die wohl enttäuschendste Erfahrung hat Kareche im vorigen Jahr gemacht, als er in Le Monde einen Aufruf gestartet und an die Solidarität der Kollegen appelliert hatte. „Ich habe gesagt, um uns zu helfen, müßt ihr Kopien schicken“, erzählt Kareche. „Nur ein Regisseur, Youssef Chahine, hat mir eine Kopie geschickt. Von den anderen kam nichts.“ Der Weg aus der Isolation droht sehr lang zu werden.

Silke Kirsch/ Übersetzung:

Aurelia Geisse

Für die heute um 21.15 Uhr in Anwesenheit des Regisseurs Mahmoud Zemmouri stattfindende Aufführung des Spielfilms Die Stammesehre verlost das Metropolis zehn Mal zwei Freikarten. Interessenten melden sich ab 17.00 Uhr unter Tel. 34 23 53. Die ersten zehn sind Gewinner.

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