■ Rosi Rolands Bremer Geschichten: Die Niederbremer-Thesen
Waren das noch Zeiten! Da fuhr eine Truppe von JournalistInnen nach Brüssel, traf den Bremer Großbotschafter Manfred Meyer-Schwinkendorf, der schwallte das unglaublichste Zeug, und das war der Anfang vom Ende seiner Kurzkarriere als politischer Kapitän auf ganz kleiner Fahrt. Und heute? Heute fährt eine Gruppe von Bremer JournalistInnen nach Brüssel, trifft dort den Nachfolger, der erweist sich als echtes Schwinki-Surrogat – mal sehen, was passiert.
Reisen bildet – angeblich, aber als die Bremer KollegInnen nach Günter Niederbremers Vortrag halbanästhesiert wieder auf den Boulevard Clovis wankten, wo die Bremer Vertretung liegt, da war doch die eine oder andere Frage offen geblieben, zum Beispiel: „Was macht der Mann denn eigentlich den ganzen Tag?“ Und es wollte ihnen so gar keine Antwort einfallen. Nicht einfach, die fünf Niederbremerschen Grundthesen des diplomatischen Dienstes aus der dünnen Suppe zu destillieren, die der Staatsrat aufgetischt hatte, aber bittesehr:
Erstens, die Klamottenthese: Es ist ganz wichtig, daß jetzt endlich ein echter Staatsrat für Europafragen zuständig ist, und nicht mehr nur ein einfacher Beamter, weil das, so der echte Staatsrat, „so manche Tür öffnet. Hier gibt es schon eine Kleiderordnung“.
Zweitens, die Schweigethese: Bei wichtigen Fragen, wie zum Beispiel bei europäischen und bremischen Randthemen wie „Vulkan“ (!), hat Bremen gar nichts zu sagen. „Was sollten wir denn wollen? Was sollte denn der Senat bei der Kommission vorbringen?“ fragt sich Niederbremer – fragen wir uns auch. Wenn das so ist, dann wird wohl tatsächlich besser geschwiegen.
Drittens, die Vergnügungsthese: Die Sache ist nichts, die Atmosphäre alles. Zweimal im Jahr Party machen, hilft Bremen mehr als ein Gespräch mit dem Kommissariat für Wettbewerbsfragen. Ein Grünkohlessen, eine Ausstellungseröffnung, bloß über was wird da geredet? Wahrscheinlich werden Kochrezepte ausgetauscht. „Wir versuchen auf der klimatischen Ebene, Schaden zu begrenzen.“
Viertens, die Was-kann-ich-dafür-These: Daß nicht so viel klappt, das liegt nicht an Niederbremer, meint Niederbremer. Denn woran es der Vertretung vor allem mangelt, das ist das nötige Equipment. Jetzt ist der Mann bald ein Jahr Staatsrat, und es fehlt immer noch der computerisierte Zugang zu den Europäischen Institutionen. Schlimm! „Wir arbeiten immer noch mit Hammer und Meißel.“ Schade, daß die Kleiderordnung nicht für Computerläden zu gelten scheint.
Fünftens: die Nich' da-These: Der Europa-Staatsrat ist nur zwei, drei Tage in der Woche in Brüssel. Macht aber nichts, findet er, denn die Arbeit macht dort sowieso der Büroleiter. Gemein, daß die Journaille da immer wieder drauf rumhackt.
Wir fassen den Niederbremerschen Arbeitsethos zusammen: Er ist Staatsrat für Europafragen geworden, weil er dann die richtigen Klamotten anhat, die man braucht, um wichtige Türen aufzukriegen, durch die will er aber nicht gehen, weil es nichts zu sagen gibt – wegen der fehlenden Computer und wegen nicht da, aber das macht nichts, weil die Arbeit sowieso andere machen – wo gibt's hier was zu trinken?
Waren das noch Zeiten, als Journalisten aus Brüssel zurücckamen, und dann der Anfang vom Ende ziemlich haltloser Bremer Vertreter da war, findet Ihre Rosi Roland
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