Klare Formsache

■ Eine Ausstellung im Gerhard-Marcks-Haus erkundet die Anfänge moderner Schriftgestaltung

n Manifesten, die eine „neue Zeit“ verkünden, hatte es zur Gründerzeit des Bauhauses bekanntlich keinen Mangel. Wohl aber an der passenden Form, die neue Zeit auch schriftlich auszudrücken: Das Wort „Moderne“ in altdeutscher Frakturschrift gedruckt – kaum vorstellbar. Die Suche nach der Schrift der neuen Zeit wird jetzt noch einmal erlebbar. „Das A und O des Bauhauses“, eine Ausstellung des Berliner Bauhaus-Archives, ist ab Sonntag im Gerhard-Marcks-Haus zu sehen. Darin wird mit Plakaten, Büchern und anderen Drucksachen die bahnbrechende Arbeit der Reklame-Werkstatt des Bauhauses dokumentiert, die die Schriftgestalter bis heute beeinflußt.

So dürfte manches Plakat dem Besucher der Ausstellung beinahe vertraut vorkommen. Derzeit erleben die klaren, aber sehr effektvollen Gestaltungslinien der Bauhausmeister nämlich – mal wieder – eine Renaissance: Angesichts computergenerierter Schriften, die in den irrsinnigsten Formen umherschwirren, die ständig mutieren und neue, abgedrehte Typen gebären – da findet die „Neue Typografie“ der 20er Jahre wieder Freunde unter den Gestaltern.

Dabei gab es die Neue Typografie eigentlich auch zu Bauhauszeiten nicht. Auf eine einheitliche Linie einigten sich die Meister nie. Dafür war das Bauhaus eine viel zu experimentierfreudiger Schule – was die Ausstellung anhand vieler unterschiedlicher Beispiele deutlich macht. Mal tanzen die Buchstaben wild gezackt und wie angestochen über den Buchdeckel – expressive Formen, die noch ganz dem Pathos und Aufbruchswillen der Jahrhundertwende entsprachen. Vor allem aber dominiert jene kühle, klare Typografie, die ab Mitte der 20er Jahre stilprägend wird für die Schriftgestaltung des 20. Jahrhunderts. Und die wohl am ehesten mit Neuer Typografie identifiziert wird. Augenfällig sind die Analogien zur Bauhaus-Architektur, zum „Neuen Bauen“: Verzicht auf die verhaßten „Ornamente“ aus Kaiserszeiten; Betonung von Sachlichkeit und Objektivität. Wie bei den Wohnhäusern sämtlicher Stuck dran glauben mußte, zugunsten glatter Fassaden, wurden den alten Buchstaben gnadenlos die Serifen abgeschnitten. Übrig blieben schmucklose, aber einleuchtend klare Lettern. Alles, was mit ihnen geschrieben wurde – ob Möbelreklame oder Hausmitteilung – galt folglich als objektive „Nachricht“.

Daß auch dies ein Reklame-Versprechen war, das nicht ganz eingelöst wurde, wird spätestens aus der historischen Distanz deutlich. Denn die Neue Typografie ist ganz der Fortschritts-Euphorie ihrer Zeit verpflichtet. Mit seinen windschnittigen Buchstaben befördert das Bauhaus uns förmlich ins Goldene Maschinenzeitalter. Und die waagerecht und senkrecht aufeinanderstürzenden Zeilen – heute wieder gern kopiert – sind kaum objektiv zu nennen, sondern Ausdruck einer herbeigesehnten gesellschaftlichen Dynamik.

Solchen Schwung wünscht sich nun auch mancher zeitgenössische Gestalter wieder herbei. Wie stark die – inzwischen „klassisch“ genannte – Bauhaus-Gestaltung dabei eine Rolle spielt, das zeigt eine Dokumentation der Bremer Kunsthochschule, die parallel zur Ausstellung entstand. Die Studierenden setzten sich mit Gestaltern in aller Welt in Verbindung, um deren Affinität zu den Ideen der modernen Meister herauszufinden. Die Antworten werden im Laufe der Ausstellung ausgehängt. Wie die Bauhaus-Typo aussieht, wenn z.B. ein vornehmer Grafikdesigner wie Erik Spiekermann sie in seine Finger kriegt, wird mittels Projektionen alter und neuer Schriftbeispiele vorgeführt. Mal sehen, ob sie sich auseinanderhalten lassen.

Thomas Wolff

„Das A und O des Bauhauses“, 28.4. bis 14.7., Gerhard-Marcks-Haus (Am Wall 208)

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