Village Voice
: Hüsker Henning

■ Who's that Band? „Lieder of the Pack“ von Iron Henning

Was ist noch zu erwarten von einer Band, die gleich mit einer Greatest-Hits-Zusammenstellung als erster Vollzeit-Platte begonnen hatte? Und was macht man, wenn der Sänger und Namensgeber für ein halbes Jahr nach Japan verschwindet, um dort Straßenmusik zu machen? Diese Fragen werden auch nicht von „Lieder of the Pack“ beantwortet, der zweieinhalbsten Platte von Iron Henning nach der 91er Single, „Der kleine Trompeter“, und dem 94er Debüt, „Die Poesie der Ekstase“. Tatsächlich werden gar keine Fragen beantwortet, eher stellt sich eine neue, entscheidende: Wer oder vielleicht auch was zum Teufel ist diese Band denn nun eigentlich?

Sie waren schon immer berüchtigt für ihre Rollenspielchen, probierten sich aus an allerlei, ob nun bösem Metal oder melancholischem Gejammere. Mal nannten sie sich Death Henning, mal Der todtraurige Henning. Als sie 1989 ihre ersten Konzerte gaben, wurden sie als die großartigsten deutschen Hüsker-Dü-Epigonen gefeiert, ein Anspruch, der erst jetzt mit der ersten Hälfte von „Lieder of the Pack“ eingelöst wird. Erstmals werden die Stimmbänder von Henning der rauhen Aufgabe gerecht, ist die Produktion, vor allem der Gitarren, massig genug. Fünf der sechs ersten Songs sind klasse Grunge, staubig und zähflüssig. Es fragt sich nur, wer das heute noch braucht. Allein der Opener fällt da etwas aus dem Rahmen, denn „Il Lamento“ ist ein unglaublich schmalziger Eisdielenbrecher, für den Eros Ramazotti vor Stolz platzen würde. Schöner als ein Grappa-Rausch.

Lustig wird's dann wieder auf Seite zwo. Da freut sich „Der Henker“ über einen stupiden Hardrock-Riff, auf seinen „Job, denn der ist cool“, geben sie in „Küsse mich!“ auf französisch Paris noch eine Chance, sind als Heranwachsende ganz doll todessehnsüchtig in „Such mich, wo die Blumen stehn!“ Das alltägliche Pathos wird entstellt durch schrammelige Gitarren: Ich bin klein, mein Herz ist rein.

„Lieder of the Pack“ mag einigen zu kindisch sein, aber die kennen die alten Sachen von Iron Henning noch nicht, in denen nur angelegt war, was jetzt vollständig aufgeblüht ist. Thomas Winkler

Iron Henning: „Lieder of the Pack“ (Peking Records/ Buschfunk, Nevermore)