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Wand und BodenSerienmäßig, aber ohne Airbag

■ Kunst in Berlin jetzt: Ström, Bremner/v. Plessen, Solakov, fünf Spieler

Bevor sich um Fehler Mythen bilden: Elizabeth Peyton ist keine Britin, sondern aus Amerika (s. taz, 13.4.). Das macht ihren Umgang mit Popstars wie Oasis oder Pulp naturgemäß gebrochener und die Bilder nicht besser. Oder umgekehrt. Wahrscheinlich hegt man immer falsche Hoffnungen.

Der junge indonesische Mann in Annika Ströms Video jedenfalls ist sehr direkt – er lacht herzlich, als die Schwedin ihm das Konzept zu ihrem „Artist Film“ erklärt, und läßt sie gewähren. Überhaupt verzichten die meisten InterviewpartnerInnen auf jenen kritischen Feinschliff, der die kleinste Trübung im Diskurs zum zeitgenössischen Denken über Kunst adelt. Oliver van den Berg etwa fühlt sich recht wohl als Artist, schließlich besitzt er Moped, Fahrrad und Video; ein schwedischer Kollege names Petri würde Pinsel und Palette gegen eine Heckenschere eintauschen, weil durch Gartenarbeit „plötzlich gelbe Dinge aus der Erde wachsen.“ Und Claudia Hart wäre lieber Journalistin im politischen Kampf geworden – oder Psychiaterin. Je mehr Dokumentarmaterial Ström zusammenschneidet, desto weiter löst sich die Vorstellung vom streng gefügten Künstlertum auf. Es ist ein Beruf ohne Bild, der den Leuten im Leben nicht viel helfen kann. Während in Asien schöne Dinge produziert werden, hadert man hier mit Kuratoren und Strategien. Eine davon hat Ström im Selbstversuch erforscht: Per Diagramm wurden Depressionskurven und Glücksgefühle ausgewertet. Das Ergebnis klebt an der Wand der Rupert Goldsworthy Gallery – Genie und Durchschnitt halten sich die Waage. Gut zu wissen.

Bis 19. 5., Do./Fr. 14–19, Sa. 12–15 Uhr, Brunnenstraße 44

Für Fergus Bremner und Magnus v. Plessen müssen solcherlei Grauwerte des Alltags unerträglich sein. Ihre Welt ist stramm apollinisch, voll schwerster Symbole, großer Gesten und mit alten Männern und dunklen Dichtern bevölkert. Tatsächlich geht es einmal mehr um die Macht der Kunst: Ezra Pound oder Nietzsche werden vom gebürtigen Briten Bremner gern zitiert, während die Einflüsse des Hamburger Bildhauers v. Plessen in der Laterna magica oder im dynamischen Konstruktivismus des späten Bauhaus liegen.

Das zumindest scheint plausibel, denn seine Leuchtkästen, in denen sich computergesteuert Drahtskulpturen drehen, nutzen Moholy-Nagys Spielereien mit Bewegung und Licht ebenso wie das reduzierte Körpergeflecht eines Oskar Schlemmer. Die Doppelausstellung allerdings, die die Galerie Volker Diehl den beiden, „bekannte Größenordnungen und Sichtweisen sprengend“, auf 800 Quadratmetern und zwei Etagen in den Hackeschen Höfen eingerichtet hat, dröhnt beim Eintritt wie Heavy Metal, obwohl nur ein softer Radiosender im Hintergrund läuft. Es liegt an Bremners bombastischen Portraitköpfen in Teer und Eitempera, die knapp dreieinhalb Meter hoch als Zyklus „MCMXIV“ über den Raum verteilt sind. Klassizistische Malerei der S-Klasse – serienmäßig, aber ohne Airbag. Begleitet werden die Schinken von Pounds glühender Weltuntergangslyrik, einigen Jahrhundertwendepornos auf Büttenpapier sind als Übertreibung Ars-Amandi-Verse zugefügt. Man soll erkennen, daß ohne Kennerschaft kein Genuß zu haben ist, was im Grunde zur Verbindung von Fetisch, Kitsch und Bildung paßt. Dazwischen marschieren in Wachs geformte Athleten mit Titeln wie „Aged Heroes“ oder „Tyrann“. Zieht man das Pathos ab, bleiben gediegene Figuren, die gut im Martin-Gropius-Bau bei den Realisten aufgehoben wären. Dort setzt man auf „Die Kraft der Bilder“.

Bis 28. 4., Sa./So. 11–18 Uhr, Rosenthaler Straße 40/41.

Ein wenig hängt auch der Bulgare Nedko Solakov jenen Zeiten nach, in denen gemalt wurde, was die Welt an Bildern hergab. „Desires“ heißen sieben Gruppen mit Gemälden, Federzeichnungen, Skizzen und Assemblagen, die er für die Galerie Arndt & Partner biographisch angeordnet hat.

Da sind zunächst die eigenen Projekte der letzten zwei Jahre, die Solakov atmosphärisch matt im Halbdunkel fotografiert und mit Firnis überzogen hat. Sie leuchten wie flämische Stilleben. Soweit das in Schönheit nachgestellte „extreme Begehren des avantgardistischen Künstlers, klassisch zu wirken“. Dann wird es modern trashig: Kleine Sex- Homevideos, in denen der von Pornographie besessene Künstler sich bei seiner Frau Trost sucht; ein Wasserrohr, das aus der Wand ragt und von Solakov als Readymade mit einem zotigen Spruch versehen wurde; ein schmutziger Witz, als Zeichen der Neugierde hinter einem roten Vorhang versteckt, und jede Menge weitere Sünden. Das Ganze ist wie ein lustiges Devotionalien-Labyrinth aufgebaut, extrem katholisch und sehr trickreich. Jede Beichte dient auch der Darstellung. Der Erzähler gewinnt immer. So tänzelt Solakov leicht und schizophren vom Guten ins Böse, klärt auf, ironisiert, beschwichtigt und vermittelt. Bei F. K. Waechter gibt es das stille Blatt, auf dem ein Teenie mit einer Handpuppe onaniert: „Kasperle, Kasperle, was tust du mit mir?“ Solakovs Kasper malt.

Bis 2. 6., Di.–Sa. 14–19 Uhr, Rosenthaler Straße 40/41

Im Foyer des Podewil steht eine behelfsmäßige Bühne, vier mal drei Stahltische, mit blauem Filz bedeckt. Das ist das Spielfeld, auf dem Twin Gabriel, BKH Gutmann, Axel Lieber, Boris Nieslony und Ralf Samens mit ihren Trash-Maschinen, surrealen Skulpturen und Konzeptwirkwaren antreten. Dummerweise ohne gemeinsames Ziel, einfach bloß gegeneinander. Angelika Stepken hatte die Ausstellung zwar als Gruppenarbeit vor Ort geplant, doch schon beim zweiten Eingriff gab es Probleme im Team: Was Lieber an Socken, Sachen und Gewebe übersichtlich auf der Fläche verteilt hatte, wurde von Nieslony zur Gesamtcollage umfunktioniert. Jetzt erscheinen die zwanghaft verbundenen Objekte statisch, keine Spur mehr vom Prozeß. Ein elektrischer Ballpen kritzelt Muster auf ein Blatt Papier und bleibt doch für sich allein. Man geht an aufgesägten Teddybären vorbei, denkt an Mike Kelly und wundert sich, warum das Finish das Ziel ist, nicht der Weg.

Auch wenn keiner was sagt, es wird gespielt, bis 31. 5., Mo–Fr 10–22 Uhr, Klosterstraße 68-70 Harald Fricke

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