Geregelte Prostitution ist kriminell

■ Prozeß gegen mutmaßliche Bordellbetreiber geplatzt. Anwältin: Strafrecht verhindert Verbesserungen für Huren

Der Strafrechtsparagraph gegen die Förderung der Prostitution ist ein Paragraph zur Förderung übler Arbeitsbedingungen für Prostituierte. Das wurde gestern in einem Prozeß gegen drei mutmaßliche BordellbetreiberInnen deutlich. Die Huren-Selbsthilfeorgansation „Hydra“ war mehrköpfig im Zuschauerraum vertreten, um der mitangeklagten Prostituierten Jenny W. ihre Solidarität zu zeigen.

Jennifer W. und das Ehepaar Sylvia und Sylvio B. waren wegen Förderung der Prostitution und dirigistischer Zuhälterei angeklagt, weil sie vor zwei Jahren einen Bordellbetrieb mit drei Zimmern und einem Domina-Gestell betrieben haben sollen. Mit nur drei Prostituierten war es ein kleiner Club, aber für Jenny W. „wie eine große Familie“. „Das lief alles ohne Druck und Streß ab“, berichtete die verschüchterte 25jährige. „Es war herrlich, so ruhig.“ Aber genau das war womöglich schon das Kriminelle. Der Paragraph 180 a stellt als „Förderung der Prostitution“ alles unter Strafe, was „über das bloße Gewähren von Wohnung, Unterkunft oder Aufenthalt“ hinausgeht und Arbeitsbedingungen angenehmer machen könnte.

Für Margarete von Galen, Verteidigerin von Jenny W., war das der Anlaß für einen ausführlich begründeten Antrag: Das Gericht solle das Verfahren aussetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorlegen, ob diese Strafbestimmung verfassungswidrig sei. Der Paragraph verstoße nämlich gegen das Grundrecht auf freie Berufswahl und den Gleichheitsgrundsatz.

Der gesellschaftliche Konsens habe sich verändert, argumentierte sie, die Prostitution werde nicht mehr als sozial schädlich angesehen, sondern sei ein beachtlicher Wirtschaftszweig: „1,2 Millionen Männer gehen täglich zu einer Prostituierten, pro Jahr werden bundesweit 12,5 Milliarden Mark für 250 Millionen sexuelle Dienstleistungen bezahlt.“ Dennoch würden die Huren weiterhin gezwungen, selbständig und damit sozial ungeschützt zu arbeiten. Kranken- und Sozialversicherung, Kündigungsschutz und Mutterschutz gebe es für sie nicht. Ein Angestelltenverhältnis mit festen Arbeitszeiten in einem gehobenen Club sei verboten, weil es angeblich die Prostitution fördert.

Außerdem, so die Anwältin weiter, verletze diese Bestimmung die Menschenwürde der SexarbeiterInnen. Bei der Neufassung im Jahre 1973 habe der Gesetzgeber die Prostitution als „soziales Übel“ definiert, deren Aufnahme „nicht auf freier Entscheidung“ beruhe. „Prostituierte werden zum Opfer gemacht, unabhängig davon, ob sie sich selbst als Opfer begreifen“, hielt sie dagegen. Das sei eine Mißachtung ihrer Selbstbestimmung. Ein interessanter Antrag, fand der Richter. Er wollte aber nicht sofort darüber entscheiden. Weil ein Zeuge erkrankt war, platzte schließlich der ganze Prozeß. Ein neuer Termin wird angesetzt. Ute Scheub