Moderate Art, sich bei Blaulicht zu betrinken

■ Finnische Eishockey-Fans süffeln fidel – ihr WM-Team tut sich aber weiter schwer

Wien (taz) – Wenn Mikka das Blaulicht auf seinem Hut einschaltet, wissen die mehrheitlich rotwangigen Kameraden und die hellhäutigen, zarten Mädchen in Weiß und Blau, was es geschlagen hat. Likörausgabe. Grün und rot in kleinen Fläschchen und fürchterlich süß aussehend. Die Finnen sind trotzdem begeistert. Denn was sie und viele Landsleute nach Wien gelockt hat, ist, neben ihrer zweifellos vorhandenen Eishockeybegeisterung, der Likör.

Das ist keine böswillige Vermutung und faule Ausschlachtung eines gern benutzten Klischees. Es ist eine Tatsache, die zu verbergen sich die skandinavischen Fans keinerlei Mühe geben. Der Alkohol oder die Insignien desselben begleiten sie wie gute Kameraden durch den fein umnebelten Nachmittag.

Dabei pflegen zumindest die finnischen Fans eine für den Außenstehenden sehr moderate Art, sich zu betrinken. Man süffelt so vor sich hin, ohne die für manche Mitteleuropäer und wohl auch Slawen typische, selbstzerstörerische Praxis des Alkoholkonsums: schnell und viel und jetzt sofort! Der Skandinavier scheint viel eher erstaunt und erfreut zu sein über den günstigen Zugang zu Alkoholika jeder Ausprägung und genießt selbst den pappigsten Wodka- Feige wie eitel Manna, das ihm ein gütiges höheres Wesen freundlicherweise zukommen läßt. Vielleicht trinken Menschen aus großen, dünnbesiedelten Ländern, in denen die Nächte beziehungsweise die Tage sehr lang sind, immer so. Das Zuschauerklima in der Wiener Albert-Schulz-Halle, in der die WM-B-Gruppe spielt, ist jedenfalls entspannt. Keine bellend-aggressiven Verhöhnungen des Gegners, eher wohlwollend-freundliche Zustimmung zur Leistung der eigenen Mannschaft.

Obwohl durchaus Anlaß zu berechtigter Kritik vorhanden war. Was die Finnen als amtierende Weltmeister bisher zu bieten haben, ist erstaunlich. Und zwar erstaunlich schlecht. Eine Niederlage gegen Tschechien (2:4) kann passieren, aber 1:1 gegen den ersten Abstiegskandidaten aus Norwegen? Der finnische Trainer Kurt Lindström machte jedenfalls keinen sehr relaxten Eindruck während des Spiels seiner Mannschaft gegen die Franzosen. Trotz des letztendlich klaren 6:3-Erfolges bestätigte dann auch das Donnerstag-Spiel den Trend: Die Suomi tun sich über Gebühr schwer. Trotz nach wie vor ausgezeichneter Einzelspieler schnurrt das Maschinchen noch lange nicht. Es ruckelt und zuckelt. Konkreter: Man wird den Eindruck nicht los, daß die Blöcke nicht passen. Das läuft noch nicht rund, und vom traumhaft sicheren Kombinations-Eishockey der Weltmeisterformation sind die Weiß-Blauen meilenweit entfernt. Geht's nicht besser, oder mögen die einfach nicht?

Da sich auch die Schweden nicht mit Ruhm bekleckert haben, äußern nämlich informierte Kreise hin und wieder den Verdacht, die skandinavischen Favoriten wollten sich für das Viertelfinale schonen. Worüber in Kreisen anerkannter Fachleute wiederum nur mißbilligend das Haupt geschüttelt wird. Eine Eishockeymannschaft ist kein Automobilmotor, den man beliebig hochdrehen und dann wieder drosseln kann. Schonen kann auch schaden – und wird im ungünstigsten Fall mit vorzeitiger Heimreise bestraft. Albert Hefele