Neue Spielregel: Alle gegen Einem

■ Österreich streitet über die kurdische PKK. Haider beschimpft SPÖ-Innenminister Einem als Sicherheitsrisiko

Wien (taz) – Zweimal mußte Österreichs Parlamentspräsident Heinz Fischer die Sitzung unterbrechen. Es gab Tumulte im hohen Haus, Jörg Haider und seine „Freiheitlichen“ hatten provoziert. „Sie sind das größte Sicherheitsrisiko dieses Landes“, rief der smarte Rechtsaußen zu Innenminister Caspar Einem (SPÖ) hinüber. Der lächelte gereizt. Seine liberale Amtsführung wird ihm nicht zum erstenmal vorgeworfen.

Vier Wochen nachdem die neue Regierungsmannschaft aus SPÖ und ÖVP zum fröhlichen Familienfoto angetreten war, ist der Innenminister Anlaß zum ersten Koalitionskrach. Er habe, so werfen ihm Haider und die christdemokratische Volkspartei unisono vor, im April vergangenen Jahres die Beobachtung und Verfolgung der PKK und ihrer Unterorganisationen per Weisung unterbunden. „Amtsmißbrauch“ soll das gewesen sein, die Staatsanwaltschaft ermittelt bereits seit Dezember – bisher allerdings ohne Ergebnis.

Kein Wunder, denn nach Auskunft des Innenressorts gilt die PKK in Österreich nicht als kriminelle Organisation, die Mitgliedschaft ist kein kriminelles Delikt. Nicht umsonst hat die „Befreiungsfront Kurdistans“ (ERNK), der politische Arm der PKK, in Wien ein offizielles Büro.

Nulifer Koc leitet seit einem Jahr die Niederlassung, vorher war sie in Deutschland. „Solche Zustände wie dort wird es hier in Österreich nicht geben“, sagt die 27jährige. „Das ist eine ganz andere Ausgangslage. Es ist ja kein Zufall, daß die PKK auf der ganzen Welt nur in Deutschland und der Türkei verboten ist.“ Österreich sei für die PKK so wichtig, da es auch in anderen Konfliktfällen als Vermittler aufgetreten sei und zu einer friedlichen Lösung beigetragen habe.

Österreich fährt traditionell im Verhältnis zu radikalen Organisationen einen Kurs der Deeskalation. Noch zu Bruno Kreiskys Zeiten etwa hatte die damals weltweit geächtete palästinensische PLO einen offiziellen Vertreter in Österreich. Mit dieser Politik des „nur net reizen“ hat man bisher weitgehend Anschläge vermeiden können – die Briefbombenattentate rechnen die Ermittler einer anderen Tätergruppe zu. Die PKK ist in Österreich immerhin nicht militant aktiv geworden.

Bundeskanzler Franz Vranitzky setzte sich so auch bei der Debatte im Parlament demonstrativ neben seinen umstrittenen Innenminister: „Österreich ist mit seiner Dialogbereitschaft gegenüber der PKK bisher gut gefahren. Ich sehe hier kein Fehlverhalten.“ Anders denkt sein ewiger Gegenspieler, Vizekanzler und Außenminister Wolfgang Schüssel (ÖVP): „Wir müssen solidarisch mit anderen europäischen Staaten agieren. Wegschauen ist keine geeignete Strategie.“

Inzwischen bekommt der Innenminister eine Atempause: Ein Mißtrauensantrag Jörg Haiders gegen Caspar Einem ist vorerst gescheitert – die Geschäftsordnung ließ ihn nicht zu. Daniel Asche

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