■ Schöner Leben: E.T. im Frühling
Wir stellen uns janz dumm und vor, wir seien extraterrestrische Ethnologen. Wir seien, beflügelt durch die lauen Lüfte, in die Stadt gesegelt. Der Forschungsauftrag: die Botanisiertrommel zu füllen nicht mit Kräutern und Pflanzen, sondern mit zivilisatorischen Erzeugnissen als handfeste Zeugnisse hehrer Frühlingsgefühle. Extraterrestrische Ethnologen sind sensible Beobachter, nichts entgeht ihnen.
Natürlich auch nicht der Monoblock-Stuhl. Jene windige, spottbillige, stapelbare, abwaschbare, in allen Farben erhältliche Plastik-Sitzgelegenheit aus einem PVC-Guß, die Europas Straßenlokale, Gärten und Gartenwirtschaften nivellieren hilft. Da brauchte es keine EU-Verordnung. Gerne geht der Monoblock in die Knie oder beult sich im Rückenbereich unschön aus. Und wird verdächtig häufig unter jenen quadratischen Partyzelt-Überdachungen gesehen, die dem umsichtigen Beobachter schon im letzten Sommer alle Nase lang ins Auge gestochen sind. „Pavillon“ und Monoblock, da stimmt die Chemie, besonders wenn's warm wird.
Doch paradox dünkt den Extraterrestrischen das Phänomen, daß die Hiesigen sich zwar gegen die Sonne beschirmen, bloß nicht in den Autos! Dort drücken sie tiefer das Gaspedal, je höher die Quecksilbersäule und schälen die Dächer nach hinten. Denn an den Frühlingsgefühlen der Cabrio-Chauffeure, die gerne ihre Augen verdunkelt tragen, soll die Mitwelt teilhaben. Es tönen fröhliche Samples aus den herausnehmbaren Radios.
Begibt sich der Ethnologe ans Wasser, haben die Freizeit-Kapitäne schon ihr Nest verlassen, die Mütze aufgesetzt und steuern Baby-Yachten durch Lesum und Wümme. Des Außenborders Tuckern! Die grenzenlose Freiheit! Ein bißchen wie der Schwenkgrill, den auch ungeübte Ethnologen jetzt leicht orten können. Schweinenacken brutzelt allerorten in den Parzellen, und es gilt immer: Der Mann kümmert sich ums Feuer, und niemand redet rein! Und dann – Heureka – ist sie gefunden, die definitive Frühlings-Dreifaltigkeit: der Schwenkgrill, der Pavillon, der Monoblock. Soll nur kommen, der Sommer, wir sind gerüstet. Alexander Musik
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