„Die annern rege sisch noch uff!“

■ Wie der Fußballverein Werder bei Eintracht Frankfurt den UEFA-Cup-Platz vergeigt hat: Zen oder die Kunst, ein schlechtes Spiel zu ertragen

Frankfurt. Horst ist ein Bankangestellter mittleren Alters in gehobenerer Position. Kein Mann, dem man emotionale Ausbrüche und wüsteste Pöbeleien zutrauen möchte – schließlich will das Vertrauen in die Stabilität der D-Mark gefestigt werden. Aber am Sonnabend nachmittag war es dann so weit: „Da lassen die sich von diese vagurkten Hamburger ein Einßueins einschenken“, schrie der Mann mit zornesrotem Kopf und geschwellter Ader in Richtung Fußballfeld und ballte die Fäuste gen Himmel, auf daß ein gerechter Fußballgott seine ebenso gerechten Blitze niedersausen lasse. „Leckmichdoch!“

Die FreundInnen des Fußballsports werden spätestens jetzt verdutzt innehalten, denn was, bitteschön, haben die vagurkten Hamburger in diesem Bericht zu suchen? Nun, der oben beschriebene Ausbruch eines eingefleischten Fans von Borussia Dortmund – nachdem er die Zwischenergebnisse auf anderen Plätzen via Anzeigentafel gesehen hatte – war der emotionale Höhepunkt der sams-täglichen Bundesliga, sofern sie sich in Frankfurt abspielte. Womit eigentlich schon alles über das Spiel des Sportvereins Werder bei der heimischen Eintracht gesagt wäre. Na gut, fast alles.

Es war – ziemlich grauslig. Dabei hätte alles so schön werden können. Das Wetter war primaprima, die Eintracht kämpft gegen den Abstieg, Werder um einen UEFA-Cup-Platz, beste Voraussetzungen für reichlich Gerenne und unbändigen Einsatz und Wollen wollen und vielleicht auch Können können. Am Ende aber stand die drängende Frage, ob sie denn allesamt nun nicht wollten oder gar nur nicht konnten. Beides gleichermaßen unangenehm, insbesondere, wenn man es angucken muß. Der Fachmann im Zwirn spricht von „Sommerfußball“, der proletenhaftere von „Gegurke“. Es war Bremer Armut gegen Frankfurter Elend.

Kurzum: Werder hat genau da weitergemacht, wo die Mannschaft gegen den VfB Stuttgart am letzten Samstag aufgehört hatte. Neunzig Minuten Gekrampfe: Gedaddel in der Hintermannschaft (Baiano, Schulz), Geknödel im Mittelfeld (Basler, ja, leider), Hilflosigkeit im Sturm (auch Labbadia). Nicht mal die Basler-Freistöße waren gefährlich. Wir notierten unter der Rubrik Werder-Chancen: praktisch keine.

Dem setzten die Frankfurter Normalform entgegen: Gedaddel in der Hintermannschaft (Roth), Geknödel im Mittelfeld (Zelic) und Hilflosgkeit im Angriff (Mornar). Aber irgendwie ist es auch ungerecht, die Herren Baiano bis Mornar derart hervorzuheben, bzw. herunterzuputzen, denn eigentlich hätten fast alle eine Abmahnung wegen Arbeitsverweigerung verdient gehabt. Auf der Bremer Seite mit Ausnahme des bemühten Ramzy und den Herren Eilts und Votava, die wieder mal dermaßen unermüdlich waren, daß sie allein schon dafür gelobt gehören.

All das haben wir in dieser Saison schon so oft von den Grün-Weißen zu sehen bekommen, daß es schon fast nicht mehr der Erwähnung wert wäre – bis hin zum ewig verhudelten Bestchastnikh, der nicht nur so aussieht, als käme er direkt von der Sanostol-Verköstigung, sondern unglücklicherweise auch noch so spielt. Wenn da nicht die paar guten Kicks unter Dixie Dörner gewesen wären. Waren sie aber, und darum will der Bremer Frust so gar nicht der Gelassenheit weichen, die der abgebrühteste der abgebrühten Frankfurt-Fans an den Tag legt. Zen oder die Kunst, ein schlechtes Fußballspiel zu ertragen: „Ach, wissese. Des is halt so. Isch hab e Dauerkart, isch hab des alles schon so oft gesehe. Die annern rege sisch noch uff un knoddern die ganz Zeit rum, mir geht des am Arsch vorbei.“

Wobei, um der Wahrheit die Ehre zu geben: Das notorische Frankfurter Geknotter („Mornar, die Sau, raus mit dem, RAUS!!!“) und die durch monatelange fußballerische Frustration und optische Geißel erworbene buddha-gleiche Gelassenheit lösen sich erfahrungsgemäß ruck-zuck auf, wenn die eigenen Blindfische den gegnerischen Blindfischen doch noch den Ball ins Tor füßeln. So war es dann auch. Die erste (!) echte Chance im ganzen Spiel führte in Minute 58 (!!) zum 1 : 0 der Frankfurter (durch Schupp) – und das Stadion versank in jubilierender Dankbarkeit. Hoffnung wird in Frankfurt in ganz kleiner Münze bezahlt: „So is des halt. Drei Punkte sin drei Punkte, gell.“ Dem kann man nichts mehr hinzufügen, außer: Man muß sich Sorgen machen über die Stabilität der D-Mark. Das Spiel in Dortmund gegen die vagurkten Hamburger endete Einßueins. Jochen Grabler