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Freiwillige Nachtschicht in der Schule

■ Lichtenberger SchülerInnen gingen während einer Projektwoche mit Radio G3 rund um die Uhr auf Sendung. Ihre Fernsehsendungen liefen im Offenen Kanal. Vor Aufregung konnten manche nachts nicht mehr sc

Profimäßig cool kündigt Thomas Kölm den Tontechnikern die Musikuntermalung für ein Interview im Fachjargon an: „Ich leg' ein Bett drunter.“ Der Moderator wirft eine CD ein, stülpt die Kopfhörer über die Ohren und dreht an Knöpfen und Hebeln des Mischpultes. Radio G3, benannt nach der dritten Gesamtschule, ist seit 103 Stunden nonstop auf Sendung.

Eine Woche lang verwandelten sich 80 SchülerInnen der Gotthold-Ephraim-Lessing-Schule in Lichtenberg in Reporter, Moderatoren und Techniker. Während der ungewöhnlichen Projektwoche produzierten sie täglich eine Zeitung und insgesamt vier Fernsehsendungen, die inzwischen auf dem Offenen Kanal Berlin ausgestrahlt wurden. Von der Berliner Medienanstalt hatten sie sich für diese Zeit eine Sendefrequenz erkämpft. 74 Faxe, 150 Telefonate und ungezählte Stunden „Tag- und Nachtarbeit“ haben die Schüler allein in die Organisation gesteckt, erzählte Werner Carlin, der als Projektleiter des Jugendmedienzentrums Lichtenberg die Aktion begleitete. Vom Deutschlandfunk kamen Teile der Radioausrüstung. Der Offene Kanal Berlin lieh der Schule eine vollständige Fernsehausrüstung aus, und eine Computerfirma stellte einige Rechner zur Verfügung.

Freitag, 13 Uhr: Der Lichtenberger SPD-Baustadtrat Andreas Geisel ist im dunklen Anzug pünktlich zum Interview im Tonstudio erschienen. „Was halten Sie von der Privatisierung der Wohnungen in Lichtenberg?“ will Moderator Thomas Kölm wissen. Geisel wird 15 Minuten lang mit kenntnisreichen Fragen in die Zange genommen. Am Ende wünscht sich der Dreißigjährige „irgendein Lied von den Rolling Stones“.

Um 13.15 Uhr sagt Moderator Kölm die Nachrichten an und legt eine Zigarettenpause ein: „Manche von uns waren schon vorher begeisterte Radiomacher“, erzählt er. Sie hätten ihre eigenen Sendungen mit dem Kassettenrecorder aufgenommen. Währenddessen verliest Tanja Heink-Lorenz etwas monoton, aber ohne zu stocken, das Neueste vom Tage. Danach ertönt der G3-Jingle. Es folgt die stündlich gesendete Tschernobyl- Chronik. Die Serie läuft die ganze Woche, ansonsten berichten die Nachwuchs-Radiomacher vor allem über Jugendthemen.

„Heute läuft es spitzenmäßig“, freut sich Michel Thürling aus der 12. Klasse. Am Vortag haben sich einige Anrufer beschwert. „Die haben uns den Vorwurf gemacht, daß wir wie die kommerziellen Sender fast nur Musik spielen.“ Heute sind dagegen stündlich zwei längere Berichte im Programm.

„Ey, Leute, Radio Österreich ist am Telefon!“ Die Österreicher wollen ein Interview mit den Schülern machen, deren Projekt europaweit einmalig ist. Das Gespräch mit Wien soll für G3 live mitgeschnitten werden. „Mädchen für alles“, wie sich Marco Schröder vorstellt, hängt an seinem Handy und trommelt die Leute zusammen. Seit „gestern nachmittag um 16 Uhr“ sei er ununterbrochen „im Einsatz“. Er könne gar nicht mehr schlafen, denn es sei „viel zu aufregend“. Lehrerin Christel Brausdorff staunt darüber, „was die hier so auf die Beine stellen“.

Grinsend zeigt Thomas Kölm auf einen Teller mit belegten Brötchen: „Die Lehrer haben nichts zu melden, die haben Schrippendienst.“ Sein „Chef“ Andreas Hartmann nimmt am Studiotelefon gerade einen Musikwunsch von Hörerin Heidi entgegen: „Also, ob wir Susanne Vega da haben, kann ich dir nicht versprechen, aber ich geb' mir die größte Mühe, arbeite nur für dich“, flötet er in den Hörer. Dabei kriegt gerade Andreas im Unterricht angeblich „den Mund nicht auf“.

Nur die Schulden bereiten noch Kopfzerbrechen: Obwohl selbst die Telekom den Schülern mit günstigen Angeboten entgegenkam und die Jugendlichen im Verwandtenkreis manche Mark locker machen konnten, fehlen noch rund 2.500 Mark. Denn mit den 1.500 Mark Gebühren, die sie für die gesendeten Lieder an die Gema überweisen sollen, hatten sie nicht gerechnet. Doch davon lassen sich die SchülerInnen nicht verdrießen. Ihr Fazit: „Es hat totalen Spaß gemacht. Die Woche hat uns ganz schön zusammengeschweißt.“ Stephanie v. Oppen

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