Fußball ist nix, Eishockey alles

Obwohl wenig erfolgreich, beweist das slowakische Eishockeyteam auch bei der Weltmeisterschaft, daß es mit den Besten mithalten kann  ■ Aus Wien Albert Hefele

Wenn die Aufstellung der slowakischen Eishockeynationalmannschaft verlesen wird, klingt das teilweise wie die Besetzungsliste eines alten Italo-Westerns. Dragan, Dano, Satan. Namen, die Bilder von heimtückisch Zigarre rauchenden Intriganten heraufbeschwören und nicht wenig Dramatik verheißen. Ob sich die deutschen Spieler vor dem heutigen WM-Spiel in Wien davon beeindrucken lassen? Wohlgemerkt: die slowakischen Männer auf den Kufen haben Drohgebärden keineswegs nötig und sind in der Lage, Eishockey auf sehr zivilisierte, technisch hochstehende Art zu betreiben. Und doch haben die Hauptdarsteller alter Italo-Western und slowakisches Eishockey eine nicht unerhebliche Gemeinsamkeit: für beide geht es meistens in hohem Maße um die Ehre.

Dabei müssen die Slowaken niemand mehr etwas beweisen, obwohl sie bei dieser WM eher enttäuschend abschnitten, was vor allem ihrer miserablen Chancenauswertung zuzuschreiben war. Sie haben bereits zuvor gezeigt, daß sie von der Substanz her zu den Guten, wenn nicht sogar zu den Großen des schnellen, kalten Sports gehören. Viertelfinalist bei den Olympischen Spielen in Lillehammer, souveräner Sieger des 95er B-Turniers. In Kosice und Trencin war man ob solcher Erfolge nicht überrascht. Dort weiß jedes Kind, daß „Slovensko“ eigentlich an die Spitze gehört und nur aufgrund nach Rache schreiender Intrigen, den Platz unter den Top-Six verloren hat. 1991, nach der politischen Teilung der Tschechoslowakei, wurde bekanntlich die Vertretung des tschechischen Teiles als sportlicher Rechtsnachfolger anerkannt. Womit die Hockeyvirtuosen aus Prag und Pilsen ihren Platz an der Sonne behielten, während ihre slowakischen Landsleute in den Keller umziehen mußten.

Für die Menschen in Bratislava und Kosice ein weiterer Beweis dafür, daß aus Prag nichts Gutes kommt. Und keineswegs ein Beitrag zur Entspannung zwischen den beiden Landesteilen der ehemaligen Tschechoslowakei. In einer soziologisch-politischen Problemwolke wirken dynamische und körperbetonte Sportarten wie Eishockey natürlich nicht gerade besänftigend oder neutralisierend. Sie fördern vielmehr die Entladung greller, warnender Blitze, die an der Reibungsfläche polarisierter Sphären entstehen. Noch harmlos, aber durchaus eine Ahnung des vorhandenen explosiven Potentials vermittelnd.

Dementsprechend verbissene Duelle lieferten sich die beiden Mannschaften, wenn sie innerhalb eines Turnieres aufeinandertrafen. Das 1:7 von Lillehammer, im Spiel um den fünften Platz, hatte in der Slowakei die Wirkung eines Meteoriteneinschlages. Fußball ist dort nichts, Eishockey alles. Die Stars von früher sind Ikonen. Nedomansky, die Torwartlegende Vladimir Dzurilla, Josef Golonka, die Stastny-Brüder. Namen, ohne die die großen Erfolge der CSSR nicht denkbar gewesen wären. Vor allem Peter Stastny hat mittlerweile im gesellschaftlichen Leben der Slowakei eine Bedeutung, die der von Franz Beckenbauer in Deutschland gleichkommt. Ohne irgendeinen Nachweis geführt zu haben, für etwas anderes zu taugen, als der Ausübung von Fußball bzw. Eishockey, haben sich beide eine zwar diffuse, aber unumstrittene Einflußsphäre gesichert. Peter Stastny, seines Zeichens strammer Nationalist, spielte zum Beispiel hinsichtlich der Spaltung der Tschechoslowakei eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Und versuchte nach gelungenem „Staatsstreich“, mit seinen Mitteln dazu beizutragen, dem noch stakeligen Gebilde Slowakei zu internationalem Ansehen zu verhelfen. Im reifen Sportleralter ging er nochmals aufs Eis; trug als NHL-Star und Topscorer der B-WM wesentlich zum rasanten Aufstieg des slowakischen Eishockeys bei. Mittlerweile ist er angeblich nur noch Talentscout für die St. Louis Blues. Angeblich. Denn so ganz wird Peter Stastny wohl nie aus der Szene verschwinden. Neuestes Gerücht: Er soll Co-Trainer der Nationalmannschaft werden, neben Julius Suppler.

„Endlich ein Fachmann“, werden sogar die sagen, die ihn persönlich nicht mögen. Denn das ist, nach Meinung vieler Insider, die Schwachstelle im zukunftsträchtigen slowakischen Hockey. Im Trainerstab verfügen zu viele über zuwenig internationale Erfahrung. Zu viele Funktionäre mit ihren Ehefrauen. Lauter Leute, die den Betrieb aufhalten. Sogar Ministerpräsident Mečiar ließ es sich nicht nehmen, seinen Teil dazu beizutragen. Ende letzter Woche erließ er die Order, den Schriftzug „SLOVAKIA“ auf den Trikots, durch „SLOVENSKO“ zu ersetzen.