■ „Die Zeit“ ist verkauft. Sie wird sich ändern müssen: Wer wartet schon auf Donnerstag?
Vor acht Tagen kam für die Redaktion des Zeit- Magazins die erlösende Nachricht: Die traditionsreiche Farbbeilage (25 Jahre alt) des noch traditionsreicheren Wochenblattes (50 Jahre alt) wird trotz heftiger Verluste nicht eingestellt, sondern „relaunched“, wie es im Zeitungsamerikanisch heißt – also neugestaltet. Seit diesem Wochenende nun wissen wir, woher die Millionen dafür kommen sollen: Der ganze Laden wird verkauft.
Vor einem halben Jahr stieg Burda bei der defizitären Woche ein, diesmal ist es Holtzbrinck, der Die Zeit übernimmt. Hier das Blatt der 68er-Generation mit seinen langen Lese- und Denkstücken, jedes Ressort seine eigene Zeitung; dort der Vorreiter der durchkomponierten vierfarbigen Wochenzeitung, mit vielen Törtchen und anderen Lesehilfen. Die Woche hat noch viel zuwenig Auflage, um die roten Zahlen hinter sich zu lassen, bei der Zeit stagniert der Verkauf seit 1989, die Anzeigeneinnahmen sinken.
So unterschiedlich die Fälle, beide sind sie Indiz für eine Krise der Wochenzeitungen (von den darbenden Blättern Wochenpost, Freitag und Sonntagsblatt gar nicht zu reden). Zeit-Chef Robert Leicht ist zwar optimistisch, er setzt auf eine neue Politisierung in der Nach-Kohl-Ära und auf mehr Informationsbedarf im Zuge der technologischen Umwälzungen. Doch wird das den Wochenblättern zugute kommen? Längst schon diversifiziert sich das Leseverhalten, wie es so schön heißt.
Sind die Zeiten nicht langsam vorbei, als wir montags und donnerstags mit besonderer Spannung an den Kiosk gingen? Von den neuen Kommunikationstechniken, ob Computersatz oder Text- und Bildübertragung per Datenleitung, haben vor allem die Tageszeitungen profitiert. Themen wie Autoren warten selbst für eine hintergründige Betrachtung nicht mehr nicht mehr so geduldig wie früher auf den nächsten Donnerstag.
Auch Dieter von Holtzbrinck weiß das. Sicher, seine liberalen Verlage wie S. Fischer und Rowohlt hält er an der langen Leine. Doch die machen Gewinn, und als Mäzen von unrentablen Medien ist der Stuttgarter nicht bekanntgeworden. Wenn er jetzt 140 Millionen Mark für Die Zeit hinblättert, dann will er nach ein paar Jahren auch Rendite sehen. Er wäre dumm, wenn er sein neues Blatt zur dickeren Schwester der Woche machte. Aber die (schwarz-)weiße Lilie von heute wird Die Zeit nicht mehr lange bleiben. Man vergleiche den Spiegel von heute mit dem Spiegel vor Focus. Michael Rediske
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