Der Kohlsche "Raubzug"

■ Kaum wurden die Bonner Sparpläne verkündet, schon regt sich massiver Protest: Die Sozialdemokraten wollen das Sparpaket im Bundesrat verhindern. Selbst in Bayerns CSU regt sich zarter Widerstand

Berlin/Bonn (taz, dpa, AP) – Zwei Drittel der Deutschen lehnen das Sparpaket der Bonner Regierung ab. Dies ergab eine Umfrage des Bonner Instituts für Markt- und Politikforschung, die am Wochenende veröffentlicht wurde. Lediglich Unionswähler und Besserverdienende können den Sparplänen demnach etwas abgewinnen – und natürlich Deutschlands Arbeitgeber. Die bekräftigten am Wochenende, daß sie den eingeschlagenen Kurs der Regierung in den kommenden Tarifverhandlungen fortsetzen wollten.

Arbeitgeberpräsident Klaus Murmann betonte etwa, die Kappung der Lohnfortzahlung auf 80 Prozent im gesetzlichen Bereich sei „die entscheidende Voraussetzung, um auch die tariflichen Regelungen zu korrigieren.“ Nun müßten die Tarifparteien an den Verhandlungstisch. Der Bundesverband der Deutschen Industrie ist nach Angaben seines Präsidenten Hans-Olaf Henkel der gleichen Auffassung: „Es ist gut, daß die Bundesregierung die Latte aufgelegt hat. Jetzt müssen Bundestag und Tarifpartner darüber springen.“ Davon dürften sich die Arbeitgeber auch nicht durch Streikdrohungen abhalten lassen.

Mehrere SPD-Ministerpräsidenten machten unterdessen deutlich, daß sie das Sparpaket im Bundesrat verhindern wollten. Für den niedersächsischen Landeschef Gerhard Schröder sind die Sparpläne ein „Raubzug Kohls“. Sie hätten „Schlagseite zu Lasten der Arbeitnehmer“. Er könne sich keinen SPD-Landeschef vorstellen, der etwa der Kürzung des Krankengelds oder der Aufweichung des Kündigungsschutzes zustimme. Das SPD-Präsidium warf der Bundesregierung in einer gestern veröffentlichten Erklärung zum Tag der Arbeit am 1. Mai vor, sie versage bei der Überwindung der Arbeitslosigkeit: „Statt dessen betreibt sie die Demontage des Sozialstaates“.

Auch bei den Ministerpräsidenten der Unionsseite regt sich Widerstand. Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) wies die Forderung zurück, die Länder sollten den Abbau des Solidarzuschlags mitfinanzieren. Der Kleine Parteitag der CSU billigte zwar am Samstag die Bonner Sparbeschlüsse im Grundsatz. Stoiber verlangte aber, der Bund müsse die Kosten für den Abbau des Solidarzuschlags allein tragen. Die Länder seien nicht in der Lage, auf die Vermögenssteuer zu verzichten, die Kosten für den Abbau des Solidarzuschlags zu übernehmen und gleichzeitig auch noch 25 Milliarden Mark einzusparen. Bundesfinanzminister Theo Waigel hielt dem entgegen, die Länder würden von den geplanten Nullrunden im öffentlichen Dienst am meisten profitieren. flo