Arbeiterrechte Happen für Happen verkauft

■ Der 1. Mai wird zum Protesttag gegen die Gewerkschaftsführung. Rosie Schott, die stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) fordert, daß die Gewerkschaft

taz: Für die bundesweite Demonstration zum 1. Mai fordert die Berliner Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) den Klassenkampf von unten. Wo bauen Sie morgen in Berlin Barrikaden?

Rosi Schott: Es geht nicht um Barrikaden. Zusammen mit dem Bündnis gegen Sozialabbau und Ausgrenzung organisieren wir einen Protestzug innerhalb der Demo des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Wir überlassen dem DGB das Feld nicht allein.

Der Vorsitzende der Metallgewerkschaft, Klaus Zwickel, wollte mit den Unternehmern ein Bündnis für Arbeit verabreden. In Anlehnung an Karl Marx sehen Sie darin „Opium fürs Volk“.

Wir haben die Frage formuliert: Ist das Bündnis Opium fürs Volk? Gespräche mit dem Kanzler und den Arbeitgebern finden ja immer dann statt, wenn Sozialabbau angesagt ist. Der Vorstoß von Herrn Zwickel dient als Einfallstor genau in diese Richtung. Die Gewerkschaften verabschieden sich vom Kampf um menschenwürdige Arbeitsbedingungen.

Die Forderung der IG Metall lautet: Die Arbeitgeber schaffen 330.000 neue Arbeitsplätze und die Gewerkschaften begnügen sich mit einem Lohnausgleich für die Inflation. Was kritisieren Sie daran?

Den Arbeitgebern geht es um etwas anderes. Sie wollen die Umverteilung von unten nach oben: mehr Arbeit für weniger Lohn. In den Verhandlungen hat die Gewerkschaftsführung unsere Grundpositionen Happen für Happen verkauft. Das Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ gilt nicht mehr. Man kann zwar ketzerisch sagen: Lohnverzicht schafft Arbeitsplätze. Aber welche? In den USA kommt so jemand wie ich mit drei Jobs für jeweils 700 Mark kaum über die Runden. Ich will nicht nur überleben. Ich will leben!

Ist schlecht bezahlte Arbeit nicht besser als Sozialhilfe?

Beides ist gleich schlecht.

Welche Forderungen setzen Sie gegen das Bündnis für Arbeit?

Die Gewerkschaft muß wieder eine Macht gegen die Kapitaleigner bilden. Im Einzelhandel gibt es bundesweit 77 Millionen Überstunden, die zugunsten neuer Arbeitsplätze abgebaut werden können. Und zwar, ohne daß die Flexibilisierung der Arbeitszeiten wie bei der Verlängerung des Ladenschlusses das Maß aller Dinge ist. Interview: Hannes Koch