Vienna – besser als Golf

■ Mit allen Tricks locken Nordamerikaner ihre NHL-Größen zur Wiener Eishockey-WM

Wien (taz) – Nach einem knappen Sieg gegen die Slowakei hatte Kevin Stevens, der Kapitän der US-Mannschaft gesagt: „Das wichtigste Match der Vorrunde ist für uns die Begegnung mit Kanada. Das sind unsere Kollegen aus der NHL, da wollen wir zeigen, wer besser ist.“

Hört sich nicht schlecht an. Wer von den einheimischen bzw. sonstwie angereisten Fans träumt nicht davon, einen Haufen Spieler aus der nordamerikanischen Profiliga bei der Arbeit zu beobachten. Ferne Lichtgestalten und Ritter der Tafelrunde. Spieler, die um den Stanley-Cup ringen. Dem heiligen Gral aller, die hinter der Hartgummischeibe herschlittern.

Lange Zeit wurde es Sonntag abend nichts damit. Allzugroßes Risiko vermied man auf beiden Seiten, obwohl die Kanadier theoretisch noch ins Gras hätten beißen können. Es wäre also Zeit für eine schöne Demonstration gutklassigen NHL-Hockeys gewesen.

Der Spielverderber aber hieß Ron Wilson. Der ist Coach der Anaheim Mighty Ducks und in Wien für das US-Team zuständig. Das ist kein besonders begehrenswerter Job, denn die NHL-Spieler finden Eishockey abseits ihrer Liga nicht sehr interessant. Verbandspräsident Walter Bush, dies sehr wohl wissend, mußte darum die Cracks entsprechend pfiffig ködern: „Die Sehenswürdigkeiten von Wien sollten bei einigen Spielern den Ausschlag gegenüber einem Golfurlaub geben.“ Wilson weiß, daß ihm dieser Golfurlaub im Nacken sitzt und er darauf achten muß, sein Team bei Laune zu halten. Also Tribünenurlaub für einige Leichtblessierte.

Weil die Kanadier sich auch nicht gerade zerrissen vor Ehrgeiz, ging es eine Weile gut. Auf der Pressetribüne diskutierte man derweil die Herstellung österreichischer Mehlspeisen. Es war nicht die Rede von Joe Sacco und Yanic Perreault, sondern von „Dopf'nschdrud'l“ und „Dopf'ndort'ln“. Die Fans konnten sich zu keinem noch so mickrigen Gesang aufraffen und reagierten lediglich mit neidischem Aufstöhnen, wenn der Zwischenstand vom Spiel Schweden – Finnland (5:5) durchgesagt wurde.

Das mochten sich die verwöhnten Profis dann doch nicht gefallen lassen. Vor allem die kanadische Reihe Ray Ferraro, Travis Green und Paul Kariya zeigte eine gute Viertelstunde lang, wie es aussieht, wenn man sich so richtig Mühe gibt. Dieser Angriffswucht hatten die dezimierten Amerikaner wenig entgegenzusetzen. Schon gar nicht ihre unerfahrenen Goalies, die zwar viel zu lernen, aber gegen Leute wie den Anaheimer Kariya, der allein dreimal zulangte, nichts zu bestellen hatten.

Ron Wilson war vom 1:5 wenig überrascht. Schließlich trainiert er im richtigen Leben Joe Sacco und Paul Kariya. Außerdem: „Wir waren einfach müde. Kein Sprit mehr.“ Wenn die beiden Mannschaften ihre Viertelfinals gewinnen und danach nochmals aufeinandertreffen sollten, wäre das garantiert anders. Das letzte Wort im Duell der NHL-Spieler ist hoffentlich noch nicht gesprochen. Albert Hefele