Grenzen des Wachstums

■ Konjunkturprognosen gehen in den Keller

Von Mal zu Mal fallen die Prognosen mieser aus: Von 2,5 Prozent Wachstum für 1996 waren die Konjunkturforscher im letzten Herbst ausgegangen; die Bundesregierung hoffte Anfang des Jahres noch auf 1,5 Prozent. Laut Frühjahrsgutachten der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute aber wird das Wachstum 0,75 Prozent nicht übersteigen. Die Bonner Politiker würden mit ihren hektischen Sparbemühungen den Abschwung sogar noch verstärken. Insgesamt werfen die Wirtschaftsforscher der Koalition einen Mangel an „Gestaltungswillen“ vor. Die Kritik geht knapp daneben.

Die Bonner gestalten sehr wohl die wirtschaftliche und soziale Landschaft Deutschlands: Die Sparbeschlüsse laufen auf eine klare Umverteilung von unten nach oben heraus. Arbeitgeber sollen entlastet werden, ohne daß sie dafür Beschäftigungsgarantien abgeben müssen. Geschröpft werden die Arbeitnehmer, ganz besonders aber Kranke, Rentner und Erwerbslose.

Die Sozialdemokraten hoffen nun, den ökonomische Abschwung für ihren eigenen politischen Aufschwung funktionalisieren zu können. Die soziale Brutalität der Bonner Regierung lasse, so die SPD, Gut und Böse in der Politik wieder klar hervortreten. Allein, die liebe Tante zu spielen, die den Sozialabbau verhindern will, zeugt auch nicht von positiver Gestaltungskraft. Eine Vermögensabgabe, wie sie die SPD vorschlägt, klingt zwar sozial gerecht. Aber wie Vermögen, das gerade die Reichen nicht auf dem Sparbuch liegen haben, überhaupt taxiert werden kann, ist völlig unklar. Vermögenssteuern hat das Bundesverfassungsgericht übrigens für grundgesetzwidrig erklärt. Die vagen Äußerungen der SPD, durch etwas höhere Mineralölsteuern die Lohnnebenkosten ein bißchen zu senken, machen auch noch keine Reform.

Wenn die Opposition der Regierung wirklich etwas entgegensetzen wollte, müßte sie den Unmut der Arbeitnehmerschaft über das disharmonische Bonner Streichkonzert ausnutzen und den ökologischen Umbau der Wirtschaft inklusive einer entsprechenden Steuerreform endlich konsequent angehen. Denn weder durch die Haushaltssanierung noch durch das Hoffen auf eine Konjunkturbelebung wird sich das Problem der Arbeitslosigkeit lösen lassen. Die Grenzen des Wachstums sind erreicht. Nicola Liebert