Einlaß für Phantome

■ Ausstellung und Monografie über den Architekten Josep Lluís Mateo

Zwischen Langeweile und Aufgeregtheit liegt der Fluß des gedehnten Augenblicks. Hier kann ein Genuß entstehen, der weder durch Wiederholung stumpf noch durch Nervosität unerträglich wird. Auch in der Architektur entsteht zwischen der übertriebenen traditionellen Weihe und dem modischen Effekt jene Qualität, die dauert. Josep Lluís Mateo beschreibt diesen Ort für seine Arbeit folgendermaßen: „Mich interessieren Projekte, die angesichts des schattenhaften Chaos der modernen Welt weder auf Selbstdarstellung aus sind, noch durch Beschwörung der alten Ordnung die eigene Auflösung betreiben.“

Mateo, der in den letzten Jahren mit für den Ruf seiner Heimatstadt Barcelona als guter Humus für reife Architektur gesorgt hat, verfolgt dementsprechend in seinen Entwürfen keinen Stil. Gern zitiert er Dashiell Hammet: „Wenn du einen Stil hast, bist du schon tot.“ Seine Motive sind eher intellektueller Natur und entspinnen sich aus dezenter Verschiebung und Irritation auf der Grundlage traditioneller Körper – wobei die klassische Moderne hier zur Tradition zählt.

Beginnend mit der Reparatur des katalanischen Dörfchens Ullastret (1982-84), wo Mateo die Schnittkanten zwischen den Zeiten im Material hervortreten ließ, anstatt sie lügnerisch zu harmonisieren, folgte er dem Weg der „flüchtigen Körperlichkeit“ – also dem Wunsch, sowohl den Augenblick als die Beständigkeit in Schönheit zu fassen. Dadurch entsteht eine Poesie der kleinen Zeichen und wunderlichen Materialehen. Die Aufstemmung des rechten Winkels, die unvermittelte Reißlinie zwischen Stein und Metall, Farbe und Textur, die ironische Korrektur gewohnter Formen ist bezeichnend für diese Haltung. Ob bei einem Tierpark-Entwurf für Paris, der die Perversion des Programms in einer kalten Abstraktion verdeutlicht – und deswegen auch nicht realisiert wurde –, einem gärtnerischen Entwurf für den Berliner Lustgarten, den er in ein riesiges Beet verwandeln wollte, über dem ein Metallgitter liegt, oder dem abgebildeten Wohnhaus in Den Haag: Mateos Entwürfe finden immer die Balance zwischen dem Respekt für die Konvention und der Sehnsucht nach dem unfaßbaren Mehr.

Das erlaubt dann intensive Betrachtung und Freude am Wechsel der Perspektiven. Selbst wenn die Grundform streng kubisch bleibt, wie bei dem Doppelhochhaus in Barcelona, findet Mateo die Stellen eines Gebäudes, durch die nicht greifbare „Phantome“ eindringen können und in „feste Körper gebannt werden, ohne sie zu zerstören“.

Wie dies genau funktioniert, wird auch der Urheber nicht restlos klären können, aber eine neue Monografie vermittelt schön die Resultate dieser poetisch-intellektuellen Haltung (garniert mit einem schwer verdaulichen Essay von Kurt Foster) und eine Ausstellung mit den neuesten Arbeiten Mateos wurde jetzt eröffnet.

Till Briegleb Josep Lluís Mateo: Ideen und Bauten; Birkhäuser, 78 Mark Ausstellung: IAAS, Hopfensack 19, bis 25. Mai