piwik no script img

Zahlenmüll vom Rechnungshof

■ Prüfbericht zur Hamburger Arbeitsmarktpolitik strotzt vor falschen Zahlen Von Florian Marten

Falsch addierte Statistiken, unkritisch übernommene Daten und abenteuerliche politische Schlußfolgerungen – der Prüfbericht des Hamburger Landesrechnungshofs zur städtischen Arbeitsmarktpolitik vom 10. April erweist sich nach einem gründlichen Gegencheck als grotesker Zahlenfriedhof mit fragwürdigem Aussagewert. Chefprüfer Dr. Knoke räumt ein: „Auch wir hatten mit den Zahlen Probleme.“

Gaby Gottwald vom Stadtteilbüro Steilshoop wundert sich: „Ich kann die aufgeschriebenen Ergebnisse nicht verstehen. Die Leute vom Rechnungshof, die mit uns geredet haben, waren eigentlich ganz nett, unsere Gespräche ausführlich und qualitativ gut.“ Prüfteams hatten sich monatelang durch die Aktenberge der Träger der 300 Millionen Mark schweren stadtstaatlichen Arbeitsförderungs-, Ausbildungs- und Qualifizierungsprogramme gewühlt. In umfangreichen Interviews wurde fast jeder einzelne Träger direkt durchleuchtet. Immer galt das Augenmerk der Vermittlungsquote in den regulären Arbeitsmarkt und den Kosten pro Teilnehmer.

Die Ergebnisse, in einem 57 Punkte umfassenden Prüfbericht festgehalten, ließen aufhorchen: Billige hocheffiziente staatliche Träger, teure private bezirkliche Träger, erfolgreiche SPD-nahe überbezirkliche Träger, zwischen 10.000 und 50.000 Mark schwankende Teilnehmerkosten und Vermittlungsquoten zwischen 0 und 83 Prozent – die detaillierte Bestandsaufnahme der Rechnungsprüfer, gewürzt mit zahlreichen arbeitsmarktpolitischen Empfehlungen, erschien als zutreffende Analyse.

Ein falscher Eindruck. Bei ihrer Arbeit schusterten die Kontrolleure ungeprüft falsche Daten im Widerspruch zu den Grundregeln von Statistik und Kostenrechnung zu eindrucksvollen Tabellen zusammen. Ein Weiterbildungsträger war beispielsweise gefragt worden, wieviele Vermittlungen ihm 1994 in den ersten Arbeitsmarkt gelungen seien. Antwort: Keine. Kein Wunder: Schließlich handelte es sich um ein zweijähriges Projekt, das erst 1995 zu Ende ging. Als Erfolgsquote verbuchte der Rechnungshof jedoch einfach „0%“.

Bei einem anderen Träger ermittelte der Rechnungshof rekordverdächtige Kosten von 447.000 Mark pro Jahr und Teilnehmer – kein Wunder, ging es doch um eine Büro-ABM-Stelle in der Dachorganisation mehrerer Ausbildungsträger. Die Kosten hätten also auf alle Träger umgelegt werden müssen. Bei staatlichen Trägern dagegen wurden Verwaltungs- und Betreuungskosten oft gar nicht berücksichtigt, weil der Staatsapparat die Kosten seiner Festangestellten nicht entsprechend aufschlüsselt.

Chefprüfer Dr. Knoke räumt Mängel ungeniert ein: „Die Zahlen geben keine Beurteilungsbasis, auf der man den Stab brechen könnte.“ Es sei, so verteidigt Knoke seinen Zahlenmüll, ja hauptsächlich um den Nachweis der mangelnden Transparenz der Kosten für die Arbeitsmarktpolitik gegangen. Warum berücksichtigte der Rechnungs- hof aber nicht die Kritik der Beschäftigungsträger aus Nord, Wandsbek und Harburg, die sich bereits am 16. Februar 1996 mit einer zehnseitigen Stellungnahme zur ersten Fassung des Prüfberichts geäußert hatten? Knoke: „Die konnten wir nicht mehr berücksichtigen. Da war unser Bericht schon im Druck.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen