Polizei zerschlägt Walpurgisfest

■ Volksfest am Kollwitzplatz endet mit massivem Polizeieinsatz. 25 Festnahmen, fünf verletzte Polizisten, Veranstalter kritisieren: „Eklatanter Wortbruch“ der Polizeiführung provozierte Straßenschlacht

„Der volksfestartige Charakter der Feier wurde durch keine störenden Ereignisse beeinträchtigt“, teilte die Polizei eine dreiviertel Stunde nach Mitternacht in einer Presseerklärung mit. Und auch die Veranstalter des Kollwitzplatz-Festes betonen: „Bis 2 Uhr 25 funktionierte das Deeskalationskonzept hervorragend.“ Gestern morgen aber sah die Bilanz des Walpusgisnacht-Festes ganz anders aus: mehrstündige Straßenschlacht, fünfundzwanzig Festnahmen sowie fünf verletzte Polizisten. Zugleich erhoben die Veranstalter schwere Vorwürfe gegen die Polizei. Deren Vorgehen habe in eklatanter Weise der vorher vereinbarten „Sicherheitspartnerschaft“ widersprochen. Die Polizei habe damit die Ausschreitungen provoziert, kritisierte Nilson Kirchner von der Arbeitsgemeinschaft „Walpurgis 96“.

Über zehntausend Menschen hatten Dienstag abend in drangvoller Enge auf dem Kollwitzplatz gefeiert und um die Feuer getanzt. Der größte Teil der BesucherInnen war betont um einen friedlichen Verlauf bemüht. Die Polizei hatte neunzig mit Armbinden gekennzeichnete Zivilbeamte im Einsatz. Kleinere Auseinandersetzungen und Provokationen durch Betrunkene und Randalewillige wurden allesamt durch die Feiernden, durch Anwohner und den Ordnungsdienst der Veranstalter friedlich beigelegt.

Die Veranstalter hatten eine „Sicherheitspartnerschaft“ mit der Polizei in halbjährigen Gesprächen vorbereitet, um eine Straßenschlacht wie beim letzten Walpurgisfest zu verhindern. Bis tief in die Nacht habe die Zusammenarbeit problemlos geklappt. Alle Absprachen seien eingehalten worden.

Als sich ein Polizeifahrzeug an der Ecke Kolmarer/Knaackstraße verfahren hatte und mit Steinen beworfen wurde, hätten sich die Polizisten auf Bitten der Veranstalter zurückgezogen. Danach hätte sofort wieder Ruhe geherrscht. Nach Absprache griff die Polizei auch nicht ein, als gegen ein Uhr nachts vor dem Haus Kollwitzstraße 78 eine Barrikade gebaut wurde. Die Absperrung sei dann von Anwohnern und Festbesuchern weggeräumt worden. Die ständig anwesende Feuerwehr habe sogar Beifall erhalten, als sie die angezündeten WC-Container löschte. Auch bei einem kleineren Gerangel um ein neu entzündetes Lagerfeuer, als Flaschen und Steine geflogen seien, habe man sich verständigt, auf einen Polizeieinsatz zu verzichten.

Nilson Kirchner, Bezirksverordneter vom Bündnis Prenzlauer Berg, erhob den Vorwurf, daß die Polizeiführung bereits gegen ein Uhr nachts die Partnerschaft heimlich aufgekündigt habe. Zu diesem Zeitpunkt seien die Beamten in Zivil abgezogen worden – worüber sich laut Kirchner selbst ein Zugführer verwunderte. Gegen zwei Uhr wäre dann die Feuerwehr überraschend abgezogen worden. „Befehl von höchster Stelle“, sei Kirchner erklärt worden.

Gegen ein Uhr hatten abseits vom Kollwitzplatz in der Wörtherstraße rund vierzig Vermummte einen Bauwagen umgestürzt sowie ein Auto angezündet. Versuche von Festteilnehmern, zu deeskalieren, schlugen fehl. „Die Vermummten wollten einfach Streß“, sagt Kirchner. Der Einsatzleiter der Polizei, Buchholz, habe dann kurz nach 2 Uhr früh einen Einsatz angekündigt. Die Polizei habe zugesagt, auf dem Weg dorthin den Kollwitzplatz zu meiden. Die Veranstalter sollten außerdem Zeit haben, die Menschen auf dem Kollwitzplatz zu informieren, daß die Feier weitergehe.

Dazu sei es aber nicht mehr gekommen, sagen die Veranstalter. Statt dessen sei unmittelbar darauf ein „Zug von Wannen mit hoher Geschwindigkeit“ auf den Platz gerast. Die Beamten seien „ohne Vorwarnung“ gegen friedliche Gäste vorgegangen, die teilweise „mit erhobenen Händen standen“, sagt Kirchner. Zwar habe Einsatzleiter Buchholz in einem Telefonat um 2 Uhr 45 zugesagt, die Polizisten sofort wieder abzuziehen; tatsächlich aber hätten die Polizisten weiterhin auf friedliche Gäste eingeschlagen. Bei einem weiteren Gespräch habe Einsatzleiter Buchholz dann keine Begründung für das Vorgehen der Polizei abgegeben. Nach diesem „eklatanten Wortbruch“ hätten die Veranstalter jede weitere Verantwortung abgelehnt.

„Das Vorgehen der Polizei konnte nur als Angriff auf die Walpurgisnacht verstanden werden“, betont Kirchner. Erst dann seien Steine und Flaschen geflogen. Bei den Auseinandersetzungen, die sich bis gegen 4 Uhr früh hinzogen, setzte die Polizei auch Tränengas und Wasserwerfer ein.

Die Polizei wies die Vorwürfe zurück. Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) zeigte sich „enttäuscht“ über die Kritik der Veranstalter. Es sei nicht zugesagt worden, daß es rechtsfreie Räume geben dürfe. Gerd Nowakowski

Siehe auch Reportage Seite 11